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Schattennaechte

Schattennaechte

Titel: Schattennaechte
Autoren: Tami Hoag
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Vorwort der Autorin
    1990 war George W. Bush Präsident der Vereinigten Staaten. Es war das Jahr, in dem der Kalte Krieg endete und der Erste Golfkrieg begann. Ostdeutschland und Westdeutschland erlebten ihre Wiedervereinigung. Miss Daisy und ihr Chauffeur wurde mit dem Oscar für den besten Film ausgezeichnet.
    1990 musste man noch zwei Jahre auf das World Wide Web warten. Eine allgemein zugängliche E-Mail war Zukunftsmusik. Mark Zuckerberg, der Mitbegründer von Facebook, hatte gerade mal den Kindergarten hinter sich. Handys wurden eher als neumodische Spielerei denn als Notwendigkeit betrachtet.
    Der Kriminaltechnik hatte die Genforschung einige Fortschritte gebracht, sie war aber noch Lichtjahre von den technischen Möglichkeiten entfernt, die uns heute zur Verfügung stehen. Inzwischen sind wir in der Lage, DNA im Labor zu vervielfältigen, und eine winzige Menge an genetischem Material reicht aus, um das DNA -Profil eines Täters oder eines Opfers zu erstellen. 1990 war die Analyse einer kleinen Probe mit dem Risiko verbunden, dass sie zerstört wurde, ohne dass ein Ergebnis garantiert war.
    1990 fing man beim FBI gerade damit an, im Rahmen des Violent Criminal Apprehension Program ( ViCAP ), das ursprünglich zum Sammeln von Daten über die in verschiedenen Gerichtsbezirken begangenen Serienmorde entwickelt worden war, auch Entführungen und Sexualdelikte zu erfassen, aber noch hatten nur Mitarbeiter des FBI Zugriff darauf. Inzwischen steht ViCAP landesweit allen Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung und macht es sehr viel einfacher, eine Verbindung zwischen den einzelnen Verbrechen von Serientätern herzustellen.
    Als ich vor einigen Jahren mit der Arbeit an Schwärzer als der Tod begann, hatte ich nicht vor, eine fortlaufende Serie zu schreiben, die den Entwicklungen in der Wissenschaft und der Kriminaltechnik ab 1985 folgt. Vom Wesen her eher flatterhaft, wende ich mich nach Abschluss eines Projekts für gewöhnlich sofort anderen Figuren zu. Und was meinen technischen Sachverstand anbelangt, bin ich kaum in der Lage, einen digitalen Videorekorder zu programmieren. Dennoch treten in Schattennächte die Figuren aus Oak Knoll in Kalifornien nun schon zum dritten Mal auf. Mittlerweile sind sie so etwas wie gute Freunde für mich. Freunde, die ich weiterhin besuchen möchte – zumindest, bis sie alle ein Handy haben und mir Freundschaftsanfragen auf Facebook schicken.

1
    Es war einmal, da waren wir eine glückliche Familie. Ich hatte den perfekten Ehemann: gut aussehend, liebevoll, erfolgreich. Ich hatte die perfekten Kinder: Leslie und Leah – zwei hübsche, kluge, entzückende Mädchen. Ich hatte das perfekte Leben in einem perfekten Haus an einem perfekten Ort. Wir waren eine dieser schrecklich perfekten Familien mit identischen Initialen. Die Lawtons: Lance, Lauren, Leslie und Leah. Die Lawtons aus Santa Barbara in Kalifornien.
    Bis, wie in allen Märchen, das Böse in unser Leben trat und es zerstörte.
    Ich erinnere mich, dass Leslie als kleines Mädchen immerzu vorgelesen bekommen wollte. Meist fiel ihre Wahl auf ein Märchen. Schon unsere Eltern hatten uns als Kinder Märchen vorgelesen. Ich erinnerte mich an die hübschen Bilder in den Büchern und daran, dass die Märchen immer ein gutes Ende hatten. Aber was sie erzählten, war nie gut. Nur aus der Ferne betrachtet sind Märchen schön. Von Nahem sind es finstere Geschichten über Missbrauch, Vernachlässigung, Gewalt und Mord.
    Aschenbrödel wird in ihrem eigenen Zuhause gefangen gehalten und wie eine Leibeigene behandelt, nach dem Tod ihres Vaters der körperlichen und seelischen Gewalt ihrer Stiefmutter und ihrer Stiefschwestern ausgeliefert.
    Hänsel und Gretel fallen in die Hände einer Sadistin, die sie im Wald gefangen hält und füttert, um sie bei lebendigem Leib zu braten und zu verspeisen.
    Rotkäppchen geht in den Wald, um ihre Großmutter zu besuchen, und entdeckt, dass die alte Frau von einem wilden Tier angefallen und bei lebendigem Leib verschlungen worden ist.
    So sehen Märchen aus.
    Und so sieht meine Geschichte aus.
    Leslie war – ist – unsere Erstgeborene. Eigensinnig und liebenswert, gelegentlich etwas aufsässig. Sie tanzte gerne, hörte gerne Musik.
    Hört gerne Musik.
    Wer würde glauben, dass die Zeitform eines Verbs eine solche Tortur sein kann? Vergangenheit? Gegenwart? Für die meisten Leute hat das wenig Bedeutung, mir treibt diese Entscheidung die Tränen in die Augen, sie bringt mich an den Rand des
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