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Ueber den Himmel hinaus - Roman

Ueber den Himmel hinaus - Roman

Titel: Ueber den Himmel hinaus - Roman
Autoren: Kimberley Freeman
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ihrem Bett, mit der Decke über dem Kopf. Ihre Cousinen schmiegten sich von rechts und links
an sie, und Lena zog die Decke zurück und küsste sie auf die Wange. Doch Sofi hielt die Augen geschlossen.
    »Sofi?«, murmelte Natalja.
    Diese schüttelte den Kopf. »Zwing mich nicht zum Reden«, flüsterte sie, »sonst fange ich an zu weinen und höre nie wieder auf.«
    Da begann Lena zu wimmern; Sofi stimmte mit ein, und bald konnte auch Natalja die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie weinten, bis ihre Wangen glühten, und als die Abenddämmerung hereinbrach, tastete Natalja nach den Händen ihrer Cousine und ihrer Schwester.
    »Lasst uns immer füreinander da sein«, sagte sie heiser. »Wir wollen zusammenhalten, was auch geschieht. Schwört es.«
    »Ich schwöre es«, sagte Lena, ohne zu zögern.
    »Ich auch. Ich schwöre es«, würgte Sofi hervor.
    Und so umklammerten sie einander in der eisigen Dunkelheit, in der kindlich-idealistischen Überzeugung, dass sie sich ein Leben lang an ihr Versprechen halten würden.

KAPITEL 3
    1987
     
    Lena verharrte einen Augenblick im Türrahmen und beobachtete, wie zwei Touristen ihre Koffer in den Korridor manövrierten. Amerikaner. Sie arbeitete erst seit drei Wochen im Hotel Moskwa . Bislang hatte sie nur mit Schweden, Finnen, Deutschen und dem einen oder anderen Geschäftsmann aus dem Nahen Osten zu tun gehabt. Sie warf prüfend
einen Blick über die Schulter. Niemand zu sehen. Eine solche Gelegenheit würde sich nicht allzu oft bieten. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
    Sie stopfte das Bündel schmutziger Wäsche, das sie unter dem Arm gehalten hatte, in ihren Wagen. In ihrer ersten Woche hatten sich die Korridore wie in einem Albtraum endlos vor ihr erstreckt. Zimmer um Zimmer musste auf Vordermann gebracht werden, bis ihr Rücken vom Bettenmachen schmerzte und ihre Hände ganz rot und wund waren von den Putzmitteln. Sie hatte es bald bereut, nicht wie Sofi die Zugangsprüfung für die Universität abgelegt zu haben. Doch Natalja, die in einem Secondhandladen arbeitete, wollte demnächst in eine eigene Wohnung ziehen, und Lena war von dieser Idee so begeistert gewesen, dass sie sich ebenfalls eine Stelle gesucht hatte. Ihre guten Englischkenntnisse qualifizierten sie für die Arbeit mit Ausländern, allerdings hatte sie strikte Anweisungen erhalten, welche Themen für eine Unterhaltung mit ihnen geeignet waren.
    »Verzeihen Sie«, sagte sie und trat zu den Amerikanern, die eben die Tür hinter sich schlossen; eine schlanke, hübsch angezogene Frau um die Vierzig und ein älterer Herr, der sowohl ihr Ehemann als auch ihr Vater hätte sein können.
    »Ja?«, fragte die Frau neugierig. Vermutlich war sie bisher nur von ihrem offiziellen Intourist-Reiseführer angesprochen worden.
    »Ich suche einen Mann, Viktor Tschernow. Ich glaube, er ist in den USA.«
    Die beiden sahen sich an, dann sagte die Frau sanft: »Es leben eine Menge Leute in den USA.«
    »Aber Sie haben Möglichkeiten, ihn zu finden … das Telefonbuch, oder vielleicht eine Zeitung.« Lena hörte das
leise Klingeln des Aufzuges. Sie musste sich beeilen. »Er ist mein Vater. Bitte, würden Sie mir helfen, ihn zu finden?«
    Die Frau sah sich ängstlich um, als fürchte sie, der KGB könnte ihr eine Falle gestellt haben.
    Der Mann dagegen lächelte Lena freundlich an. »Viktor Tschernow. So heißt er?«
    »Ja. Sagen Sie ihm, er soll seinen Töchtern schreiben. Er weiß, wo wir wohnen.«
    »Ich geb’s weiter, falls mir der Name je unterkommen sollte«, sagte der Mann. »Vielleicht haben Sie ja Glück, aber ich würde mir keine allzu großen Chancen ausrechnen.«
    »Chancen ausrechnen?«
    »Es ist ziemlich unwahrscheinlich«, erklärte die Frau. »Und jetzt müssen Sie uns entschuldigen; ich glaube, wir dürften eigentlich gar nicht mit Ihnen reden.«
    Jemand kam den Korridor entlang. Lena huschte zurück in das Zimmer, in dem sie gerade beschäftigt gewesen war, und begann eifrig, die Nachttische abzustauben. Die Gangaufseherin bog um die Ecke und passierte die amerikanischen Touristen. Sobald ihre Schritte verklungen waren, ließ Lena ihr Tuch sinken und trat ans Fenster. Unten kämpften zahllose Autos um den Platz auf der Straße. In der Ferne lichteten sich die Morgennebel, dazwischen glänzte die Newa wie ein Satinband.
    Lena lehnte den Kopf an die Scheibe und schloss die Augen. Sie kam sich dumm vor. »Es leben eine Menge Leute in den USA.« Keine Frage, aber ein russischer Name musste doch auffallen.
    Sie
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