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Ueber den Himmel hinaus - Roman

Ueber den Himmel hinaus - Roman

Titel: Ueber den Himmel hinaus - Roman
Autoren: Kimberley Freeman
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seufzte. Sie wusste nicht einmal mit Sicherheit, ob sich ihr Vater tatsächlich in Amerika befand. Tante Stasja konnte nicht allzu viel dazu sagen. Er hatte sich in Wladiwostok als Fischer verdingen wollen; er hatte versprochen,
nach seiner Ankunft zu schreiben, und dann hatte er nie wieder von sich hören lassen. Mit fünfzehn hatte Lena begonnen, Briefe an die Fischereien und an die Meldebehörden in Wladiwostok zu schicken. Die meisten waren unbeantwortet geblieben. Einmal schrieb jemand zurück und forderte weitere Details, doch Tante Stasja hatte den Brief gefunden und Lena entsetzt gebeten, ihre Nachforschungen einzustellen. »Wir dürfen nicht auffallen«, hatte sie gesagt. »Es verschwinden ständig Leute. Ich bitte dich, Lena, finde dich endlich damit ab, dass dein Vater nicht wiederkommt.«
    Lena hatte zahlreiche Theorien über den Verbleib ihres Vaters entwickelt, wobei sie sich auf jene konzentrierte, die ein günstiges Licht auf ihn warfen. Wladiwostok befand sich im äußersten Osten des Landes, auf der anderen Seite des Meeres lag bereits Alaska. Vielleicht war er ja auf einem Fischerboot in die Freiheit gesegelt? Bestimmt hatte er vor, seine Töchter irgendwann nachzuholen. Diese Erklärung, die sie sich schon als kleines Mädchen zurechtgelegt hatte, erschien ihr mittlerweile so plausibel, dass sie für Lena zur Tatsache geworden war. Nur aus diesem Grund hatte sie Englisch gelernt, teils mithilfe einer Kassette von Sofi, hauptsächlich jedoch dank der Lektüre englischer Liebesromane, die ihr Natalja mitbrachte. Die Leute, für die ihre Schwester arbeitete, handelten mit Waren, die man, wenn überhaupt, nur unter der Hand bekam. Anfangs hatte Lena kaum Fortschritte gemacht, doch inzwischen verschlang sie diese Bücher förmlich.
    »Ich wusste doch, dass ich dich hier finde.«
    Lena fuhr erschrocken herum, lächelte dann jedoch erleichtert. Es war nur Konstantin, der wie sie zum Reinigungspersonal gehörte und seit einem heimlichen Kuss in der Besenkammer vor einer Woche ihr Freund war.

    Sie nahm einen Stapel frisch gewaschener, gestärkter Bettwäsche von ihrem Wagen. »Du hast mich erschreckt.«
    »Wann hast du Pause?«, erkundigte er sich und musterte sie mit seinen hellblauen Augen.
    »Um elf.«
    »Schade, ich erst um halb zwölf. Dann werden wir uns verpassen, und die kommenden zwei Tage habe ich frei.«
    Sie breitete das Laken über der Matratze aus. Ihr Körper hatte sich inzwischen an die Arbeit gewöhnt; ihre Schultern wurden bereits muskulöser. »Aber wir sehen uns am Samstagabend. Du kommst doch zum Essen, nicht?«
    »Natürlich.« Er schloss die Tür hinter sich, ließ sich auf das Bett fallen und riss sie mit sich. »Konstantin!«, sagte sie tadelnd, ohne ihm ernsthaft böse zu sein.
    Er küsste sie, ein ziemlich feuchter Kuss, aber sie hatte noch nie einen Freund gehabt, weswegen es ihr an Vergleichsmöglichkeiten mangelte. Er war neunzehn und sah umwerfend aus, das genügte ihr.
    »Du bist wunderschön, Lena«, murmelte er ihr ins Ohr, und sie lächelte an die Decke. Sie liebte es, Komplimente zu bekommen, war in den vergangenen Jahren auch schon einige Male verliebt gewesen, aber die meisten Jungen hatten nur Augen für Natalja gehabt. Nun führte sie dank ihrer Arbeit endlich ein eigenes Leben und wurde nicht mehr ständig mit ihrer Schwester verglichen. Sie freute sich auf Konstantins Besuch zu Hause. Er war nicht nur attraktiv, sondern auch sehr groß und maskulin. Endlich würde Natalja erkennen müssen, dass sie nicht die Einzige war, die die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zog.
    Seine Finger wanderten zu ihrer Brust. Lena ließ ihn einen Augenblick gewähren, doch als er die Hand in ihre Bluse schieben wollte, setzte sie sich zur Wehr. »Nicht,
Konstantin. Ich muss wieder an die Arbeit. Heute ist die Gangaufseherin da.«
    Er sprang vom Bett auf und streckte ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Seine Lippen streiften ihre Wange. »Bis Samstag«, sagte er lächelnd.
    Sie sah ihm verzückt nach, konnte den Blick nicht von seinen breiten Schultern, den schmalen Hüften losreißen. Als schließlich die Betten gemacht waren und das Badezimmer glänzte, beförderte sie rücklings ihren Wagen nach draußen und stieß vor der Tür mit der Gangaufseherin zusammen.
    »Lena«, sagte diese streng, »hast du dich vorhin mit zwei amerikanischen Gästen unterhalten?«
    »Nein, ich meine, ja. Sie haben mich gefragt, wo der Frühstücksraum ist, und ich habe es ihnen erklärt, das war
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