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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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sein?«
    Rasch wandte Imago den Blick ab und fuhr gedankenverloren mit dem Finger durch den Staub. Offensichtlich fehlten ihm die Worte. In der anschließenden Stille breitete sich erneut tiefe Trauer auf Cals Gesicht aus.
    »Ich kann nicht glauben, dass er nicht mehr da ist. Er war für mich der wichtigste Mensch auf der Welt.«
    »Tam hat die Styx sein ganzes Leben lang bekämpft«, sagte Imago mit fremd klingender, angespannter Stimme. »Ein Heiliger war er nicht, so viel steht fest, aber er hat uns etwas gegeben, nämlich Hoffnung, und die hat es für uns erträglich gemacht.« Er hielt inne und richtete den Blick auf einen weit entfernten Punkt hinter Cal. »Jetzt, da die Schmeißfliege tot ist, wird es Säuberungsaktionen geben … und ein so scharfes Durchgreifen, wie man es seit Jahren nicht mehr erlebt hat.« Er hob eine Höhlenperle auf und betrachtete sie. »Aber selbst wenn ich könnte, würde ich nicht mehr zurückwollen. Ich denke mal, wir sind jetzt alle heimatlos«, sagte er und schnippte die kleine Kugel mit dem Daumen in die Luft. Und die Höhlenperle fiel mit atemberaubender Präzision genau in die Mitte des Schachts.

38
    »Bitte!«, wimmerte Chesters Stimme unter der klammen Haube, die ihm schweißnass an Gesicht und Nacken klebte. Nachdem man ihn aus seiner Zelle und den Flur entlang zum Eingang der Polizeiwache gezerrt hatte, war ihm eine Haube aus grobem Sackleinen über den Kopf gestülpt worden, und jemand hatte ihm die Hände auf dem Rücken gefesselt. Dann hatte man ihn einfach dort stehen lassen, umgeben von drückend schwüler Dunkelheit, während von allen Seiten gedämpfte Geräusche zu ihm drangen.
    »Bitte!«, rief Chester völlig verzweifelt.
    »Halt endlich die Klappe!«, schnauzte eine barsche Stimme dicht neben ihm.
    »Was passiert denn jetzt?«, fragte Chester flehentlich.
    »Du wirst eine kleine Reise unternehmen, mein Sohn, eine kleine Reise«, sagte die gleiche Stimme.
    »Aber ich habe doch gar nichts getan! Bitte!«
    Chester hörte das Geräusch von Stiefeln auf einem Steinfußboden und erhielt plötzlich einen Stoß in den Rücken. Er strauchelte und fiel auf die Knie, nicht in der Lage, mit gefesselten Händen wieder aufzustehen.
    »Steh auf!«
    Er wurde auf die Beine gezerrt und schwankte mit weichen Knien hin und her. Chester hatte zwar gewusst, dass dieser Moment bedrohlich näher rückte und seine Tage gezählt waren; aber er hatte nicht ahnen können, wie es sein würde, wenn dieser Zeitpunkt tatsächlich kam. In der Arrestzelle hatte niemand mit ihm gesprochen – allerdings hatte er auch keine großen Anstrengungen unternommen, Antworten auf seine Fragen zu erhalten, weil er sich viel zu sehr vor weiteren Schikanen von Seiten des Polizisten und seiner Kollegen fürchtete.
    Also hatte Chester wie ein Verurteilter gelebt, der nur raten konnte, in welcher Form ihn sein Schicksal schließlich ereilen würde. Er hatte sich an jede kostbare Sekunde geklammert, die ihm geblieben war, hatte versucht, sie nicht vergehen zu lassen, und war innerlich viele kleine Tode gestorben, als ein Tag nach dem anderen verstrich. Nun fand er nur noch Trost in dem Wissen, dass er eine Zugfahrt vor sich hatte – also blieb ihm zumindest noch ein wenig Zeit. Aber was dann? Wie sahen die Tiefen aus? Was würde dort mit ihm passieren?
    »Beweg dich!«
    Auf unsicheren Beinen und blind watschelte er ein paar Schritte vorwärts. Dann stieß er gegen etwas Festes, und das Geräusch um ihn schien sich zu verändern. Echos. Rufe, jedoch aus der Ferne, aus einem größeren Raum.
    Plötzlich drang lautes Geschrei zahlreicher Stimmen zu ihm.
    Oh, nein!
    In dem Moment wusste Chester ohne den geringsten Zweifel, wo er sich befand – er stand vor der Polizeiwache. Und was er da hörte, war das dumpfe Geheul einer großen Menschenmenge. Angst hatte er schon zuvor gehabt, aber nun wurde er von Panik ergriffen. Eine Menschenmenge. Das Gejohle und die Pfiffe wurden immer lauter, und er spürte, wie er unter beiden Armen angehoben und mitgeschleift wurde. Er befand sich auf der Hauptstraße; er spürte die unregelmäßige Oberfläche des Kopfsteinpflasters, als seine Füße den Boden berührten.
    »Ich habe nichts getan! Ich will wieder nach Hause!«
    Er atmete schwer, hatte Mühe, überhaupt Luft zu bekommen durch den groben Stoff der Haube, die von seinen Tränen und seinem Speichel durchnässt war und ihm bei jedem Atemzug am Mund klebte.
    »Hilfe! Bitte, bitte, helft mir!« Seine Stimme klang so qualvoll
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