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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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erfüllter Laut der Resignation, der Selbstaufgabe.
    Eine scheinbare Ewigkeit atmete er überhaupt nicht; er riss den Mund auf, schloss ihn wieder, öffnete ihn erneut, wie ein gestrandeter Fisch. Der Mangel an Sauerstoff ließ seine leeren Lungen brennen, bis schließlich sein ganzer Körper zu zucken begann. Schmerzerfüllt sog er Luft durch die feuchte Haube ein. Er warf den Kopf hoch und stieß einen letzten Schrei tiefster Verzweiflung aus.
    »WWWWWWIIIIIIILLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLL!«
     
    Überrascht stellte Will fest, dass er wieder eingenickt war. Verwirrt und ohne jede Vorstellung, wie lange er eigentlich geschlafen hatte, zuckte er hoch, als ihn eine dumpfe, ferne Vibration weckte. Er konnte nicht sagen, woher die Erschütterungen stammten, doch seine Entscheidung, in die Tiefen hinabzugehen, holte ihn schlagartig in die kalte, harte Wirklichkeit zurück. Es war, als sei er in einem Albtraum aufgewacht.
    Er sah Imago in der Nähe des Schachts kauern, den Kopf in Richtung des Geräusches geneigt. Dann hörten sie es alle deutlich; das ferne Grollen wurde von Moment zu Moment lauter, bis es die gesamte Kammer erfüllte. Will und Cal schoben sich auf Imagos Zeichen hin zur Öffnung im Boden und machten sich bereit. Während sie mit baumelnden Beinen am Rand des Schachts saßen, beugte Imago sich kopfüber vor und ließ sich so weit hinunter, wie er nur konnte.
    »Vor der Kurve wird er langsamer«, hörten sie ihn rufen. Das Geräusch wurde immer stärker, bis die ganze Kammer um sie herum vibrierte. »Da kommt er. Auf die Minute pünktlich!« Er richtete sich wieder auf, beobachtete jedoch weiterhin die Gleise unter ihnen, während er sich zwischen die Jungen kniete.
    »Seid ihr sicher, dass ihr das jetzt wirklich wollt?«, fragte er sie.
    Die Jungen sahen einander an und nickten.
    »Wir sind uns sicher«, sagte Will. »Aber was ist mit Chester …?«
    »Ich hab dir doch gesagt, um den brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, erwiderte Imago mit leisem Lächeln.
    Der herandonnernde Zug ließ die Kammer erzittern und dröhnte wie mit tausend Trommelschlägen in ihren Köpfen.
    »Tut genau das, was ich euch sage – die Sache muss auf die Sekunde stimmen. Also wenn ich sage, dass ihr springen sollt, dann springt ihr auch!«, rief Imago.
    Beißender Schwefelgestank drang in die Kammer. Als das Dröhnen der Lokomotive den Höhepunkt erreichte, schoss ein Rußstrahl wie ein schwarzer Geysir durch den Schacht hinauf. Er traf Imago voll im Gesicht und besprühte ihn mit schmierigen Flocken, sodass er rasch die Augen zusammenkniff. Sie alle mussten husten, als der dichte, beißende Qualm den Kessel erfüllte und sie umhüllte.
    »ACHTUNG … FERTIG … UND LOS«, schrie Imago und warf die Rucksäcke hinab in die Dunkelheit unter ihnen. »CAL, SPRING!«
    Cal zögerte einen Sekundenbruchteil, worauf Imago ihm einen Stoß versetzte. Mit einem überraschten Aufschrei fiel der Junge in den Schacht hinab.
    »WILL, SPRING!«, schrie Imago erneut, und Will ließ sich vom Rand fallen.
    Die Seitenwände des Schachts rasten an ihm vorbei, und dann war er durch die Öffnung hindurch und stürzte, mit Armen und Beinen rudernd, in einen Strudel aus Lärm, Qualm und Dunkelheit. Als er mit einem markerschütternden Knirschen auftraf, blieb ihm die Luft weg. Um ihn herum explodierte ein reines weißes Licht, das er nicht einmal ansatzweise verstehen konnte. Leuchtend helle Punkte zischten über ihn hinweg wie umherirrende Sterne, und einen winzigen Moment lang fragte er sich, ob er gestorben war.
    Er blieb ruhig liegen und lauschte dem heftigen Stampfen der Lokomotive irgendwo vor ihm und dem monotonen Rhythmus der Räder, während der Zug Geschwindigkeit aufnahm. Er spürte den Wind im Gesicht und sah, wie die lang gezogenen Rauchfahnen über ihm dahinglitten. Nein, das hier war kein Bergarbeiterhimmel, er lebte noch!
    Will beschloss, sich eine Weile nicht zu rühren, und überprüfte im Geiste jedes einzelne Körperteil, um sicherzugehen, dass er sich über seine stolze Liste von Verletzungen hinaus nicht auch noch etwas gebrochen hatte. Doch abgesehen von ein paar zusätzlichen Kratzern schien alles unversehrt und funktionsfähig zu sein.
    Er blieb liegen. Wenn er nicht tot war, was war das dann für ein helles, fließendes Licht, das ihn wie winzige Polarlichter umgab? Ratlos stützte er sich auf einen Ellbogen.
    Zahllose, etwa murmelgroße Leuchtkugeln rollten ziellos auf dem dreckigen Boden der Lore hin und her, stießen zusammen,
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