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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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weiterhin Fahrt aufnahm und dunklen Qualm ausstieß. Er beförderte sie weg von der Kolonie, weg von Highfield und von allem, was sie kannten, und er fuhr immer schneller und schneller, tief hinein in das Herz der Erde.

Epilog
    Die sanfte Wärme der Sonnenstrahlen drang durch die wenigen Wölkchen am Himmel und versprach einen wunderschönen Tag gleich zu Jahresbeginn – so mild, dass es Frühling hätte sein können. Der weite Horizont war tiefblau, lediglich durchsetzt von kleinen weißen Punkten – Möwen, die sich in der Ferne vom Aufwind hoch hinauftragen ließen. Hätten sich nicht ab und zu ein paar Autos die Uferstraße entlanggeschlängelt, hätte man sich irgendwo an der Küste wähnen können, vielleicht in einem verschlafenen Fischerdorf.
    Aber das hier war London, und das allzu verlockende, schöne Wetter sorgte dafür, dass sich die Holztische vor den Pubs rasch füllten. Drei Männer in dunklen Anzügen und mit den blassen Gesichtern von Büroangestellten stolzierten durch die Tür und setzten sich mit ihren Getränken an einen der Tische. Weit nach vorn gebeugt, versuchte jeder, den anderen mit lautem Reden und rohem Lachen zu übertrumpfen, wie zankende Krähen. Neben ihnen saß eine völlig anders wirkende Gruppe, Studenten in Jeans und verblichenen T-Shirts, die so gut wie keinen Lärm verursachten. Sie unterhielten sich fast im Flüsterton, tranken ihr Bier und drehten sich ab und zu eine Zigarette.
    Im Schatten des Gebäudes saß Reggie allein auf einer Holzbank und nippte an seinem Bierglas, dem vierten in dieser Mittagspause. Er fühlte sich zwar leicht benebelt, aber da er für den Rest des Tages nichts vorhatte, beschloss er, sich einen netten Nachmittag zu machen. Er nahm eine Handvoll Sprotten aus der Schüssel und kaute nachdenklich auf den kleinen Fischen herum.
    »Hallo, Reggie«, sagte eine der Kellnerinnen, einen hohen, bedrohlich schwankenden Stapel Gläser im Arm, während sie mit der anderen Hand weitere leere Gläser einsammelte.
    »Hallo«, erwiderte er zögernd. Er hatte sich die Namen der Bedienungen nie gut merken können.
    Sie lächelte ihn freundlich an, drückte dann mit der Hüfte die Tür auf und ging wieder hinein. Reggie war seit Jahren immer wieder mal im Pub aufgetaucht, hatte sich aber erst vor Kurzem zu einem Stammgast entwickelt, der fast jeden Tag wegen seiner Lieblingsspeise vorbeischaute, einer Schüssel Sprotten oder Fisch und Fritten.
    Er war ein ruhiger Mann, der gern für sich blieb. Abgesehen von der Tatsache, dass er mehr als großzügig Trinkgeld gab, unterschied er sich vor allem durch sein Erscheinungsbild von den Durchschnittskunden. Er hatte ganz ungewöhnlich langes weißes Haar. Manchmal trug er es wie ein alternder Motorradfahrer zu einem hellen Zopf zusammengefasst, der sich seinen Rücken hinunterschlängelte; doch bei anderen Gelegenheiten ließ er die Haare offen, aufgeplustert wie ein frisch shampoonierter Pudel. Aber ganz gleich, wie das Wetter war, er erschien nie ohne seine stark getönte Sonnenbrille, und seine Kleidung wirkte seltsam und altmodisch, als käme sie aus dem Kostümverleih. In Anbetracht seiner exzentrischen Erscheinung vermuteten die Pubangestellten, er müsse ein arbeitsloser Musiker, ein »pausierender« Schauspieler oder gar ein unbekannter Künstler sein, von denen es in der Gegend viele gab.
    Reggie lehnte sich an die Wand und stieß einen zufriedenen Seufzer aus, als ein schlankes junges Mädchen mit freundlichem Gesicht und einem geblümten Baumwollkopftuch auftauchte. Sie trug einen Rattankorb und ging von Tisch zu Tisch, um kleine Blumensträußchen zu verkaufen, deren Stiele in Alufolie gewickelt waren. Ihr Anblick wirkte wie eine Szene aus viktorianischen Zeiten. Reggie grinste und dachte, wie kurios es doch war, dass Straßenverkäuferinnen immer noch mit derart unschuldiger Ware handelten, wo doch überall um sie herum die großen Unternehmen ihre Markenartikel unerbittlich auf riesigen Reklametafeln anpriesen.
    »Imago.«
    Der Name schwebte in seine Richtung, als eine Brise aufkam und ein zerbeultes Auto mit quietschenden Reifen um die Ecke schoss. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, und er warf einen misstrauischen Blick auf einen alten Mann, der mit seinem Gehstock den Bürgersteig entlangschlich. Die Wangen des Mannes waren mit stachligen grauen Stoppeln überzogen, als hätte er an diesem Morgen vergessen, sich zu rasieren.
    Als das Mädchen mit dem Blumenkorb an Imago vorbeihuschte, wandte er den
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