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Tschoklet

Titel: Tschoklet
Autoren: Harald Pflug
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stellenweise aus, als wären die Arbeiter gerade zur Mittagspause.
    Weiter hinten hatte Edwards eine Treppe gesehen, die nicht beschädigt war und die zu den über ihnen gelegenen Räumen führte. Zumindest musste sie das Gewicht von zwei Männern aushalten.
    Plötzlich flogen einige Tauben durch die Halle und ließen sich gurrend auf einem der Portalkräne nieder. Roebucks Herz klopfte bis zum Hals. Sein Zeigefinger verkrampfte sich am Abzug der Thompson. Schweiß durchnässte sein Hemd, und auch Edwards schwitzte sichtbar. Diese atemlose Stille und die stehende Hitze in der Halle waren mörderisch. Das rußgeschwärzte Hallendach glühte.
    Wo hatte dieser Hurensohn bloß sein Mädchen hingeschafft? Er würde ihm alle Knochen einzeln brechen, bevor ihn die Franzosen bekommen würden. Die Liste seiner Opfer führten die Franzosen an, sechs Franzosen, drei Amerikaner und drei Zivilisten ermordet, deshalb hatten die Frenchys um die Übergabe gebeten.
    Endlich erreichten sie die gusseiserne Treppe mit ihren verschnörkelten Elementen im Geländer. Edwards stieg auf die zweite Stufe und hopste einige Male auf der Stelle. Dann stieg er vorsichtig nach oben.
    Ein altgedienter Schlepperkapitän aus Saint Louis hatte ihm mal gesagt, dass man marode Treppen oder Leitern am sichersten benutzte, wenn man möglichst weit außen auftrat. Die Gefahr, dass die Stege brechen würden, wäre dort am geringsten.
    In den oben gelegenen Büros der Konstrukteure unter der Hallendecke war es noch heißer. Deckenventilatoren, so wie man sie in jeder amerikanischen Bar oder in öffentlichen Einrichtungen benutzte, kamen hier noch nicht zum Einsatz. Die niedrige Holzdecke erinnerte Edwards an sein Studentenzimmer in Fort Bragg. In dem Raum standen zwei abgedeckte Zeichenbretter, ein Schreibtisch, ein Stuhl mit Armlehnen, eine antike Schreibmaschine, eine Rechenmaschine und zwei leere Aktenschränke aus Holz. Auf dem Schreibtisch lagen eine umgekippte Kaffeetasse auf einem kleinen Teller, ein leerer Aschenbecher und eine staubige, grüne Lampe ohne Glühbirne.
    Ein Schild an der Tür war der einzige Hinweis, dass dieses Büro von jemandem benutzt wurde. Der Angestellte war im Sommer wirklich nicht zu beneiden. Trotz eines fantastischen Ausblicks auf den Rangierbahnhof. Die schon leicht blinden Scheiben hatten sicherlich Tausende von Zügen und Lokomotiven ein- und ausfahren sehen.
    Roebuck trat hinter den massiven Schreibtisch, lehnte sich über die Rippen der Heizung, warf einen vorsichtigen Blick durch ein großes Spinnennetz hindurch nach draußen und hoffte, irgendwo Christine zu erblicken. Direkt vor ihm lag eine Lokomotiv-Verschiebeanlage. Die Schiebebühne war fast ganz nach rechts geschoben, die Schienen lagen allerdings nicht bündig zueinander. Beidseits der Bühne waren zwei kleine Bedienpulte und je ein großes, hellgraues Handrad zur manuellen Verschiebung. Links von ihm befand sich ein hellgrauer Lokschuppen mit einer schwarzen Holzverkleidung im Bereich des Dachkandels, vor der Verschiebeanlage standen, wie der Junge gesagt hatte, mehrere Dampflokomotiven, teilweise verrostet, beschädigt oder schon demontiert.
    »Kommen Sie, Tony, wir gehen wieder raus. Ich zerfließe hier oben. Keine Ahnung, wo sich dieser Bastard verschanzt hat.« Edwards lehnte sich an die Bürotür, zündete sich eine Zigarette an und trank einen Schluck Wasser aus der Flasche.
    »Ja, Sie haben recht. Schauen wir uns draußen um. Hier ist es zu heiß.«
    Roebuck wandte sich vom Fenster ab und sah den Offizier an, da nahm er im Augenwinkel eine unscheinbare Bewegung innerhalb der Verschiebebühne wahr. Nur für Sekundenbruchteile war ein Kopf kurz hinter dem Geländer aufgetaucht, hatte sich umgeschaut und war wieder verschwunden!
    Tony schnippte dem Offizier zu und legte den ausgestreckten Zeigefinger auf seine Lippen. Er deutete durch das Fenster nach unten. Dann lief er aus dem Büro, vier Räume weiter nach links, sodass er, von unten gesehen, durch den schiefen Sichtwinkel schlechter wahrgenommen werden konnte. Er hockte sich hinter den verstaubten Schreibtisch, lehnte die Arme auf der ebenso schmutzigen Heizung auf und führte das Fernglas an die Augen. Er visierte das äußere Ende der Bühne an. Irgendetwas Weißes war dahinter. Da! Ein Kopf! Corporal Harrison schaute sich kurz um und verschwand wieder.
    »Sir! Ich habe ihn gefunden!«, zischte Tony. »Er sitzt unter dem Rollding da draußen!«
    Die beiden Soldaten rannten aus dem Büro hinaus, den
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