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Tschoklet

Titel: Tschoklet
Autoren: Harald Pflug
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begann sie selbst, panisch nach Teilen der Lok zu greifen. Harrison schlitterte in irgendetwas Schräges hinein. Wieder nahm sie allen Mut zusammen und schrie: »Tony! Ich bin hier! Oh, mein Gott! Tony!«
    Mit letzter Kraft presste sie den Hilferuf hinaus, als sich plötzlich das Tor öffnete, Sonnenstrahlen in den Holzschuppen fielen und eine schwarze Silhouette vor dem hellen Hintergrund auftauchte.
    Christine rutschte ohne eigenes Dazutun immer weiter die schiefe, schmierige Platte hinunter. Doch eine hochstehende Überlaufkante hielt ihre Bewegung auf, was der verletzte Entführer hinter ihr ausnutzte, um mit übermenschlicher Kraft die Pistole aus seinem Gürtel hochzureißen und auf den Schatten zu schießen. Als der Schuss verhallte, brach der sich scharf gegen das Licht abhebende Mensch mit einem Aufschrei zusammen.
    Das Mädchen erschrak, schrie die Angst heraus und begann sich wieder zu winden. Daraufhin begann nun jeder Knopf an ihrer Bluse langsam über das Eisenteil zu rutschen. Die rutschende Bewegung endete erst, als sie sich nur noch an diesem Blech festkrallen konnte. Der unter ihr frei hängende Chuck Harrison umklammerte ihre Beine und lachte und brüllte: »Na also, hab ich diesen verfluchten Edwards doch noch erwischt! Jetzt weiß er, wen er vor sich hat! Halt dich ja fest, du Hure, dann kann ich endlich hier raussteigen! Lass jetzt bloß nicht los!«
    Mühsam erhob sich der Angeschossene von dem Gleis. Die Kugel hatte seinen Oberkörper glücklicherweise nur gestreift. Stöhnend betastete er die blutende Wunde. Dann konzentrierte er sich wieder auf das jammernde Mädchen in der Dunkelheit.
    »Halt dich fest, Blondie! Ich komme. Ich bin gleich da!«
    »Tony? Bitte hilf mir schnell! Ich rutsche ab!« Christine weinte und sah in dem Halbdunkel des Schuppens ihrem Freund aus zwei Metern Entfernung in die Augen. Panik und Todesangst spiegelten sich darin! Roebuck schob sich immer weiter vor, doch seine Thompson hatte sich an einem von oben herabhängenden Schlauchende verhakt. Nur Zentimeter trennten seine Hand von der ihren.
    »Hilf mir! Bitte! Ich kann nicht mehr!«, flehte sie.
    Chuck Harrison versuchte, mit seinen Füßen irgendwo Halt zu finden. Wie ein Lämmerschwanz schaukelte er, an Christine hängend, hin und her. Die Pistole war ihm bereits kurz nach dem Abfeuern aus der ölverschmierten Hand gerutscht und ins dunkle Nichts verschwunden. Das gähnende Loch unter ihm wartete nur darauf, auch ihn zu verschlingen. Sein rechter Arm brannte wie Feuer, seine Bauchdecke drohte vor Schmerz zu platzen und er war wieder einer Ohnmacht nahe. Auf einmal hörte er die Stimme von diesem anderen Typen, der das Mädchen retten wollte.
    »Zieh mich hoch, Christine! Ich bitte dich! Lass mich nicht sterben! Nicht in diesem Loch!«, er beschwor die junge Frau wieder auf Deutsch. Vielleicht ließ sie sich etwas erweichen. Er hoffte auf ihr Mitgefühl, doch das nützte auch nichts mehr.
    Roebuck rutschte hektisch ein Stück zurück, löste mit einigem Kraftaufwand den rostigen Karabinerhaken an der Thompson und griff dann im erneuten Nachvorneschnellen auf den glitschigen Platten nach Christines Handgelenk. Er bekam sie im letzten Moment zu fassen.
    Aus dem rechteckigen Loch ertönte leise die schwache Stimme des Deserteurs, die um Hilfe bettelte.
    Das querstehende Blech schnitt Roebuck schmerzhaft wie ein stumpfes Messer in den Unterarm, doch das doppelte Gewicht konnte er nicht aus der Grube ziehen.
    »Christine, ich kann dich nicht festhalten! Du bist mir zu schwer!«
    In diesem Moment rutschte Harrison mit der rechten Hand von Christines nacktem Fuß ab. Beinahe wäre er abgestürzt, er konnte sich gerade noch am linken Schuh festhalten. Ein dumpfes Stöhnen und Husten ertönte von unten.
    Das war die Gelegenheit für Christine. Sie schwang den freien Fuß wie ein Fußballer nach vorne und wieder zurück, dann trat sie ihm kräftig mit der nackten Ferse gegen die rechte Schulter, seinen Kopf und den Hals. Irgendwie musste der verletzte Amerikaner doch abzuschütteln sein!
    Das mit einem Fuß strampelnde Mädchen rutschte mit seinem Retter zusammen immer tiefer die Schräge hinunter. Chuck hatte an der stählernen Wand des schmierigen Schachtes endlich einen Halt gefunden. Er schaffte es, sich ein Stück an Christine hochzuziehen, mit der linken Achsel hing er jetzt auf ihrem Schuh, das untere Ende ihres zerrissenen Rockes klebte in seinem Gesicht. Noch knapp einen Meter bis zum Rand! Er schöpfte noch einmal
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