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TS 58: Das Raumschiff der Verbannten, Teil 1

TS 58: Das Raumschiff der Verbannten, Teil 1

Titel: TS 58: Das Raumschiff der Verbannten, Teil 1
Autoren: Kurt Mahr
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verstanden hatten, worum es bei dem Unternehmen ging, begannen, aus allen Richtungen der Decks zum Äquatorstreifen zu strömen und sich dort so gut wie möglich einzurichten.
    Vorläufig waren es nur die weit Vorausschauenden, die auf den Luxus eines schwellenden Grasteppichs und blauen Himmels verzichteten und sich statt dessen in einem der ausgeräumten Lastendecks ansiedelten, die zwar öde und häßlich, dafür aber leer waren.
    Im Laufe dieses Monats forderte die anhaltende Schwerelosigkeit unter den Siedlern insgesamt zehn Millionen Todesopfer.
    Da sich in der allgemeinen Hysterie niemand um die Leichen kümmerte, entstand eine Reihe von Seuchenherden. Unter den körperlich ohnehin geschwächten Siedlern wüteten Pest und Cholera – Krankheiten, die so lange Zeit schon auf der Erde überhaupt nicht mehr und auf weit entfernten, mangelhaft versorgten Kolonien nur noch selten aufgetreten waren, daß die Mediziner die Verheerungen, die sie einst unter den Menschen angerichtet hatten, halbwegs für eine Sage hielten – wie Mähmaschinen unter Kornhalmen. Die weitaus stärkste Infektionsquelle waren dabei die Flüsse der Siedlerdecks, die ständig aus demselben Wasser bestanden. Leichen trieben zu Tausenden in den Flüssen, wurden in der Sickergegend von den Filtern aufgehalten, und durch die Quellrohre kehrte zwar verseuchtes, aber von Leichen freies Wasser wieder an die Oberfläche des Decks zurück.
    Gus Leinster arbeitete immer noch unter Kriegsrecht. Unter den dringenden Arbeiten, die im Schiffskern zu verrichten waren, vergingen zwei wertvolle Tage, bevor Leinster begriff, daß die Seuchen allen Ernstes drohten, die Besatzung der GLORIOUS mit Stumpf und Stiel auszurotten.
    Mittlerweile war die „Operation Schwerkraft“ beendet. Leinster ließ die Aufräumungsarbeiten unterbrechen und schickte die Arbeitskolonnen, mit Tonnen wertvoller Medikamente beladen, zu den Siedlern hinunter, wo Frodgey Willagher bisher nur einen kleinen, mit wenig Hilfsmitteln ausgestatteten Sanitätstrupp hatte organisieren können.
    Die besonders gefährdeten Gebiete wurden unter Quarantäne gestellt und die ehemaligen Lastendecks, in denen sich erst wenige Leute angesiedelt und die Seuchen sich noch nicht ausgebreitet hatten, wurden gegen die eigentlichen Siedlerdecks hermetisch abgeriegelt.
    Obwohl es offenbar war, daß Leinsters eilig zusammengestellte Hilfstrupps nichts anderes als Hilfe bringen wollten, sträubten sich viele Siedler gegen die Zwangsimpfungen und den strikten Befehl, die verteilten Medikamente genau nach Maßregel einzunehmen.
    Leinster aber war bereit, seinen Willen mit Gewalt durchzusetzen. Wo den Hilfstrupps Widerstand geleistet wurde – unter den Siedlern hielt sich, wahrscheinlich von Helmers ehemaligen Parteigängern verbreitet, hartnäckig das Gerücht, daß Leinster nach der Katastrophe die Kopfzahl der GLORIOUS-Besatzung verringern müsse und daß die angeblichen Medikamente in Wirklichkeit tödliche Gifte seien – setzte Leinster solange Trappen ein, bis der Widerstand gebrochen war.
    Zu den Todesopfern, die die andauernde Schwerelosigkeit gefordert hatte und die Seuchen jeden Tag von neuem forderten, gesellten sich die, die der sinnlose Widerstand gegen die Rettungsaktionen forderte. Leinsters Truppen waren gezwungen, Tausende von Widerspenstigen zu erschießen, um Zehntausenden helfen zu können.
    Die zwei Seuchenmonate, die dem Monat der „Operation Schwerkraft“ folgten, gingen in die Geschichte der GLORIOUS als DIE BLUTIGE, DIE ENTSETZLICHE ZEIT ein.
    Die Zahl der Seuchenopfer wuchs auch in den ersten Tagen nach Beginn der großen Hilfsaktion noch weiter, erreichte entsetzliche Höhen, überschritt einen Höhepunkt und fing danach zunächst langsam, dann schneller an zu sinken.
    Die Bilanz der blutigen, der schrecklichen Zeit: 300 Millionen Tote.
    Die Besatzung der GLORIOUS war auf weniger als die Hälfte zusammengeschrumpft.
     
    Erst nach einem Jahr hatte sich die Lage wirklich normalisiert.
    Am 10. Juli 3126 verzichtete Gus Leinster auf die Anwendung des Kriegsrechts-Paragraphen und berief eine verfassunggebende Versammlung ein.
    Vor der Versammlung nannte Leinster in einer ausführlichen Rede seinen Grund für diesen Schritt.
    „Wir haben gesehen, welche Verlockung die Macht, die ein einzelner Mann in Händen hält, für einen zweiten Mann sein kann. Das Unglück, das über uns gekommen ist, ist auf diese Verlockung zurückzuführen.
    Wir wollen für uns und unsere Nachfahren sicher
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