Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
TS 27: Verpflichtet für das Niemandsland

TS 27: Verpflichtet für das Niemandsland

Titel: TS 27: Verpflichtet für das Niemandsland
Autoren: Milton Lesser
Vom Netzwerk:
Reihen von Büchsen, Kisten und Krügen. Temple öffnete eine der Büchsen und sah enttäuscht auf eine übelaussehende Masse von der Größe etwa seines Daumens. Braun, zusammengeschrumpft, ausgetrocknet und beinahe flockig, hätte es ein Vogel sein können.
    Sophia rümpfte die Nase. „Wenn das das Beste ist, was man uns hier bieten kann, dann habe ich keinen Hunger mehr.“
    Plötzlich riß sie weit die Augen auf; ebenso Temple. Ein angenehm in die Nase steigender Wohlgeruch lenkte plötzlich ihre Aufmerksamkeit auf sich. Dampf stieg aus der kleinen Büchse und erhöhte noch ihr Interesse. Erstaunliche Dinge geschahen mit dem verwelkten Stück Nahrungsmittel, als es der Luft ausgesetzt wurde. Temple hatte kaum noch Zeit, es aus der Büchse zu nehmen, und verbrannte sich dabei auch noch die Finger, als es zweimal die Größe der Büchse annahm. Es wuchs immer weiter, und als es sich nicht mehr weiter ausdehnte, war es schließlich zu einem angenehm duftenden, fünf Pfund schweren Vogel geworden, wie ihn Temple schöner nie gesehen hatte, gut geröstet, dampfend heiß und eßfertig.
    Mit wildem Heißhunger rissen sie den Vogel in Stücke.
    „Jetzt sollte mich Stephanie sehen“, hörte Temple sich plötzlich sagen und bedauerte es sofort.
    „Stephanie? Wer ist das?“
    „Ein Mädchen.“
    „Dein Mädchen?“
    „Was spielt das schon für eine Rolle. Sie ist eine Million und fünfzig Jahrhunderte Lichtjahre entfernt.“
    „Antworte mir!“
    „Ja“, sagte Temple und wünschte, er könnte das Thema wechseln. „Mein Mädchen.“ Er hatte seit langer Zeit nicht mehr an Stephanie gedacht, vielleicht deshalb, weil es sinnlos war, an jemand zu denken, der bereits seit fünfzig Jahrhunderten tot war. Jetzt jedoch, als die Gedanken in ihm wieder aufgewühlt worden waren, berührten sie ihn sehr angenehm.
    „Dein Mädchen … und du würdest sie heiraten, wenn du könntest?“
    Er empfand im Laufe der Zeit ein immer stärkeres Verbundenheitsgefühl mit Sophia, nicht in der Wirklichkeit, jedoch im zweiten Teil der Traumwelten, in denen sie zu leben hatten. Er wünschte, die Erinnerung an den Traum wäre ihm nicht geblieben, denn sie beunruhigte ihn. In diesem Traum hatte er Sophia so sehr geliebt, wie er jetzt Stephanie liebte, obwohl die eine erreichbar und die andere seit fünftausend Jahren nur noch Staub war. Und wieviel von diesem Traum labte noch in ihm, in seinem Kopf und seinem Herzen?
    „Wir wollen nicht mehr daran denken“, schlug Temple vor.
    „Wenn sie beute hier und alles normal wäre, würdest du sie heiraten?“
    „Weshalb über etwas sprechen, was nicht sein kann?“
    „Ich will es wissen, deshalb!“
    „Nun gut, ja, ich würde es. Ich würde Stephanie heiraten.“
    „Oh“, sagte Sophia. „Dann hat also all das, was im Traum geschah, dir nichts bedeutet.“
    „Wir waren zwei ganz andere Menschen“, sagte Temple kühl und wünschte dann, er hätte es nicht getan, denn dies war ja nur halbrichtig. Er erinnerte sich an alles in jenem Traum, das in Wirklichkeit mehr als nur ein Traum gewesen war. Er war mit Sophia weit intimer gewesen und auch sehr viel längere Zeit, als er es je mit Stephanie gewesen war, und selbst wenn Stephanie – was völlig unmöglich war – jetzt hier erschien und mit ihm den Rest seines Lebens als ihrem Mann verbringen würde, so würde er dennoch nie sein Traumleben mit Sophia vergessen können. Zu gegebener Zeit würde er ihr das sagen können, aber nicht jetzt; jetzt, wo es das Beste war, das Thema zu wechseln.
    „Ich verstehe“, antwortete Sophia ihm kalt.
    „Nein, du verstehst es nicht. Vielleicht wirst du es eines Tages verstehen.“
    „Es gibt nichts als das, was du mir gesagt hast …“
    „Nein, vergiß es“, sagte er müde zu ihr.
    „Natürlich, es war ja sowieso nur ein Traum. Im ersten Traum habe ich dich ja beinahe aus Haß umgebracht. Liebe und Haß, ich glaube, sie heben sich gegenseitig auf. Wir sind nur zwei Menschen, die zusammen eine Aufgabe erfüllen müssen, Das ist alles.“
    „Zum Kuckuck nochmal, Sophia, das ist doch nicht wahr! Ich habe Stephanie geliebt. Ich würde sie auch noch lieben, wenn sie noch am Leben wäre. Aber sie ist – sie ist ebenso unerreichbar wie die Königin von Saba.“
    „So? Es gibt einen amerikanischen Ausdruck – Du trägst eine Fackel.“
    Vielleicht, erkannte Temple, war dies richtig. Aber was hatte all dies mit Sophia zu tun? Wenn er und Sophia … wenn sie … würde es Sophia gegenüber fair sein? Es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher