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Treibhaus der Träume

Treibhaus der Träume

Titel: Treibhaus der Träume
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stunde lang wurde Dr. Lorentzen durch die Schönheitsfarm geführt. Die Zimmer, der Speisesaal, Gymnastikraum, die Bäder, die Behandlungskabinen, die Ozonsprüher, die Lymphdrainagegeräte, die mechanischen Fettabbauer, Sauna und Wechselbäder, Friseursalon, Yogaraum, Liegeterrassen, Schwimmbad, Minigolf, die Wiesen zum Dauerlauf, die Turngeräte, Trockenruderer … man zeigte ihm alles, vom Keller bis zum Dach.
    Sein Erscheinen löste Rätselraten und Neugier aus. Außer dem Hausmeister Adam Czschisczinski waren männliche Wesen selten. Die meisten kamen nur bis zum Empfang. Einmal monatlich betrat nur der Elektroableser die Häuser. Und nun führte man einen Mann herum. Und welch einen Mann!
    Gerüchte schwirrten durch die Häuser. Adam Czschisczinski wurde ausgefragt. Er wußte immer alles, was im Hause vorging. Da niemand seinen Namen aussprechen konnte, nannte man ihn ›Dicki‹. Er mochte das gern. Es klang so zärtlich. Mit fünfundfünfzig Jahren ist man noch keine schimmelige Wurzel. Oft stand er hinter einem Stoß gespaltenen Winterholzes und sah durch das Oberlicht in den Gymnastikraum. So viele schöne Frauen. Und wie das hüpft und wippt und wackelt! ›Dicki‹ war glücklich über seine Stellung. Vor fünfundzwanzig Jahren war er Knecht beim Grafen Redtwitz in Schlesien gewesen. Dort gab es damals hübsche Polenmädchen, die wie frisches Heu dufteten.
    Aber auch ›Dicki‹ wußte heute wenig. »Es ist ein Doktor«, sagte er. »Ich habe gehört, wie die Chefin sagte: Herr Doktor, und das ist der Massageraum …«
    »Ein schöner Betrieb, alle Achtung«, sagte Dr. Lorentzen später. »Und das leiten Sie alles allein? Hut ab! Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, Fräulein Steegert, wegen der Bemerkungen damals im Zug.«
    »Längst vergessen.« Marianne preßte die Hände gegen ihre Brust. Mut, dachte sie. Nimm allen Mut zusammen. Ganz gleich, was er denkt … sag es. Stürze dich in das Abenteuer. Einmal in seinem Leben muß man etwas Verrücktes wagen.
    »Sie sehen, wir haben viel geschaffen. Aber es fehlt noch etwas.« Sie sah Ilses staunenden Blick und winkte mit den Augen. Halt den Mund, bitte, halt den Mund. »Bei dieser Lage, bei dem Platz, den wir haben, und auch bei der finanziellen Lage, man kann es ruhig sagen, sollte man einen Gedanken verwirklichen, der mir schon immer vorschwebt: der Bau einer kosmetischen Klinik. Hier die Schönheitsfarm … und dort, am Waldrand« –, sie streckte den Arm weit aus –, »die Gebäude der Schönheitschirurgie. Ein Arzthaus, ein Schwesternhaus und eine Klinik mit dreißig Betten. Das reicht gerade. Ich habe es einmal durchgerechnet; man müßte knapp eine Million investieren. Ilse und ich haben schon mit unseren Vätern gesprochen: Sie gäben das Geld, wenn wir ihnen den Chefarzt bringen.«
    Ilse Patz starrte Marianne an, als habe diese den Verstand verloren. Kein Wort stimmte. Man hatte nie darüber gesprochen. Nie war der Gedanke aufgetaucht, eine Klinik für kosmetische Operationen dazuzunehmen. Am allerwenigsten wußten die Väter davon. Marianne war total verrückt.
    »Eine gute Idee.« Dr. Lorentzen sah hinauf zu dem Grundstück. In der Sonne wogte das Gras. Am Waldrand flimmerte die Luft. Er hatte Phantasie genug, sich auszudenken, wie alles aussehen konnte. Das weiße langgestreckte Klinikgebäude mit den Sonnenbalkonen. Im Winkel dazu das Schwesternhaus und Wirtschaftsgebäude. Etwas abseits ein kleiner Bungalow, das Arzthaus. Und zwischen Klinik und Schönheitsfarm die Liegewiese, das Schwimmbad, der Minigolfplatz, der französische Springbrunnen. Ein Paradies.
    »Ich möchte den Arzt sehen, der da ablehnt«, sagte er, tief aufatmend. Marianne Steegert hatte einen Traum von ihm geweckt. Eine Privatklinik. Weg von tyrannischen Vorgesetzten. Sein eigener Chefarzt sein. Aber nie war ihm das gelungen. Vierzehn Jahre lang lag er an der Kandare Heberachs, behandelt wie ein ostpreußischer Pferdebursche.
    »Sie nehmen an?« sagte Marianne leichthin.
    »Wie bitte?« Dr. Lorentzen sah sich um. Die schwarzen Augen Ilses waren von einem tierhaften Glanz. In den blauen Augen Mariannes lagen Frage und Bitte, Angst und Verzeihung. Das ist doch nicht möglich, dachte er erschrocken. Die Mädchen spielen ein grausames Spiel mit mir. Ich komme nach St. Hubert, das Sonntagsvergnügen eines Vertreters für Rhinotherm, und man bietet mir eine Klinik an. Ich sollte mich umdrehen und gehen.
    »Ich habe Ihre Artikel gelesen«, sagte Marianne stockend. »Ich weiß
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