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Treibgut

Treibgut

Titel: Treibgut
Autoren: Maren Schwarz
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Seelenfrieden am besten zu vereinbaren war.
     
    Henning hatte nicht schlecht gestaunt, als sie ihn in Begleitung von Marlies am Flughafen empfing. Sobald er die Sicherheitsschranke passiert hatte, war sie auf ihn zugestürmt und hatte sich ihm in die Arme geworfen und dabei immer wieder gestammelt: »Wie kann ich Ihnen nur danken?«
    Vor lauter Überraschung hatte Henning zunächst keine Worte gefunden. Dann jedoch wehrte er bescheiden ab und schob sie sanft von sich, um sie zu betrachten. Vor ihm stand eine junge Frau, die vor Glück strahlte. Ihm fiel zum ersten Mal auf, dass sie wunderschöne Augen hatte. Das tiefe Braun war von bernsteinfarbenen Flecken durchsetzt, und ihre langen blonden Wimpern gaben ihrem Blick etwas Verschleiertes. Er fand es bemerkenswert, wie die Nachricht, dass Lea lebte und es ihr gut ging, ihr Leben verändert hatte. Und das nicht nur äußerlich: Nach ihrer Entlassung aus der Klinik und der Aufhebung ihrer vom Gericht angeordneten Vormundschaft, hatte sie sich nach einer kleinen Wohnung umgesehen. Die notwendige Unterstützung hatte sie bei Marlies gefunden, mit der sie inzwischen eine tiefe Freundschaft verband. Sie war es auch, die sie von der Notwendigkeit überzeugen konnte, psychologische Hilfe für sich und ihre Tochter in Anspruch zu nehmen. Zumindest so lange, bis die beiden sich in ihrer neuen Rolle zurechtgefunden haben würden. Leas Zuneigung und ihr Vertrauen zurückzugewinnen, würde von allen Beteiligten viel Fingerspitzengefühl erfordern. Zumal Suzette weder Kosten noch Mühen gespart hatte, sich einen festen Platz in ihrem Herzen zu sichern.
    Glaubte man den Aussagen ihrer Kollegen und Nachbarn, war sie eine überaus liebevolle Mutter gewesen.
    Henning musste daran denken, wie sie am Ende der Vernehmung zusammengebrochen war:Wie sie ihren Gefühlen freien Lauf gelassen hatte. Und obwohl sie keinerlei Mitleid verdiente, hatte ihr Schmerz ihn bis ins Mark getroffen.
    Was, wenn sie sich in ihrem Kummer zu einer weiteren Verzweiflungstat hinreißen ließ?
    Henning glaubte, sie mittlerweile gut genug zu kennen, um zu wissen, dass niemand ihr ausreden konnte, was sie sich einmal in den Kopf gesetzt hatte. Daran würde auch die Kontaktsperre nichts ändern können, die man ihr gegenüber Lea auferlegt hatte.
    Das einzig wirksame Mittel wäre eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
    Dafür jedoch müsste sie erst einmal rechtskräftig verurteilt werden.
    Henning versuchte, nicht an die für Elena mit dem Prozess verbundene Belastung zu denken, geschweige denn daran, wie sich ein möglicher Freispruch auf ihre und Leas Psyche auswirken würde. Bruno hatte den beiden zwar angeboten, mit ihm nach Italien zu kommen und bei ihm zu wohnen. Doch wenn Suzette sich ernsthaft auf die Suche nach ihnen machen sollte, wären sie nirgendwo sicher. Davon war Henning überzeugt.

41
     
     
    An einem sonnigen Frühlingsmorgen war es endlich so weit. Marlies und Henning kamen, um Elena abzuholen. Henning saß am Steuer, die beiden Frauen hinten. Er und Marlies sprachen über belanglose Dinge, wie das Wetter und die neuesten Nachrichten.
    Elena schenkte ihnen keinerlei Beachtung. Während sie die Stirn an die Fensterscheibe presste und in die vorbeiziehende Landschaft hinausstarrte, musste sie ununterbrochen an das bevorstehende Wiedersehen mit ihrer Tochter denken.
    Ihr Ziel war ein kleiner, abgeschiedener Park außerhalb von Stralsund.
    Kaum waren sie angekommen, riss Elena die Autotür auf und stürmte nach draußen, um sich unverzüglich auf den Weg zu ihrem Treffpunkt zu machen. Henning und Marlies hielten sich dicht hinter ihr. Bereit, ihr jederzeit unter die Arme zu greifen, falls das erforderlich sein sollte.
    Denn auch wenn Elena sich äußerlich um Gelassenheit bemühte, konnte man spüren, wie sie das bevorstehende Wiedersehen mit ihrer Tochter aufwühlte.
    Als Lea an der Hand ihrer Betreuerin auf sie zukam, ging ein Ruck durch ihren Körper. Der Anblick ihres Kindes schnürte Elena die Luft ab und ließ ihr Herz stolpern. Mit ihren honigblonden Locken und der Stupsnase sah Lea genauso aus, wie sie sie sich vorgestellt hatte. Brich jetzt bloß nicht in Tränen aus, ermahnte sich Elena, die spürte, wie ihre Kehle trocken wurde. So trocken, dass sie gerade noch ein krächzendes »Hallo« hervorwürgen konnte. Doch ihr Gesicht zeigte unverhüllt das ganze Ausmaß ihrer Gefühle.
    Sie machte sich nicht die Mühe, sie zu verbergen. Ihr Herz pochte wie wild. Jeder Schlag
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