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Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11
Autoren: Karl-Heinz Witzko
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    Baum sah nichts. Hatte keine Augen. Käfer war beschäftigt. Käfer krabbelte den Stamm hinauf. Käfer krabbelte geschwind über rauhe Rinde und lange Nadeln. Käfer krabbelte vorsichtig an goldglänzenden Harztropfen vorbei. Käfer war schlau. Harztropfen waren nicht eßbar. Harztropfen waren klebrig. Harztropfen waren sehr gefährlich. Käfer paßte gut auf. Käfers Ziel waren die langen Zapfen mit ihren schmackhaften Samen. Käfer liebte sie sosehr. Käfer war fast glücklich.
    Jäh hielt Käfer inne. Käfer spürte ein rhythmisches Beben. Etwas näherte sich. Käfer lauschte. Käfer hob die harten Flügelschalen und pumpte. Käfer fühlte. Käfer ließ die langen Fühler spielen. Käfer las den Wind. Zweibeins! Käfer erstarrte im Schatten einer Rindenfurche. Käfer zählte. Mehr Zweibeins, als Käfer Beine hatte. Mehr Zweibeins, als zwei Käfer Beine hatten. Fast so viele, wie Käfer und zwei Käfer Beine hatten. Aber nicht ganz! Käfer mochte keine Zweibeins. Zweibeins waren häßlich mißgestaltet. Zweibeins hatten nur zwei Beine. Zweibeins waren nicht vorausfühlbar. Bestimmt lag das an ihren fehlenden Beinen. Käfer hatte es selbst beobachtet. Jawoll!
    Ein Zweibein nahm einen Käfer und trug ihn zu gutem Essen.
    Ein Zweibein sah einen Käfer und zertrat ihn.
    Ein Zweibein erblickte einen Käfer und rannte schreiend weg.
    Zweibeins waren sehr seltsam. Zweibeins taten einmal dies und einmal das. Bestimmt wußten Zweibeins selbst nicht, warum sie etwas taten. Ein Ruck ging durch Käfer. So viele schwierige Dinge hatte er auf einmal gedacht! Käfer würde noch weise werden.
    Aber nicht jetzt! Käfer war hungrig! Zweibeins sollten wegkrabbeln! Das war Käfers Baum! Käfer hatte ihn lange gesucht!
    Käfer fühlte. Käfer ertastete den Wind. Zweibeins kamen nicht näher zu Käfers Baum. Mutig krabbelte Käfer aus dem Riß hinaus und weiter.
    Die Häsin hoppelte durch das hohe Savannengras, schlug plötzlich einen Haken. Sie verharrte, wendete den Kopf, doch der Rammler war ihr nicht gefolgt. Über die braunen Spitzen der gelbgrünen Halme hinweg schaute sie zu der einzelstehenden Zeder hinüber, eigentlich hatte sie mehr von ihm erhofft. Wegen des Rotfelligen mit dem Silberrücken wäre sie um ein Haar mitten in die Menschengruppe gerannt – wo er wohl geblieben war? Das wäre etwas gewesen, mitten in die Menschen hinein! Ihr Herz pochte. Sie stellte die Ohren auf, lauschte und zählte mehr als ein Dutzend der lauten Geschöpfe. Wahrscheinlich hatte er diese schon viel früher bemerkt als sie. Er hatte sie bemerkt und war zurückgeblieben, was völlig unnötig war, denn die Menschen hatten Auswüchse am Rücken. Aber selten, wenn sie jagten. Sie hatten diese Auswölbungen, wenn sie die Savanne der Häsin nur durchquerten und weiterzogen – er hätte überhaupt keine Furcht haben müssen! Vielleicht interessierte er sich doch weniger für sie, als sie gedacht hatte, und mehr für die Menschen, von denen sich soeben einer ein paar Hopser weit von den anderen entfernte. Sie verwarf diesen Gedanken sofort, denn sie war eine schöne Häsin, immerhin schon dreimal gedeckt seit dem Regen!
    Sie sah den einzelnen Menschen etwas aus seinem Auswuchs holen. Die rechte Hälfte ihrer Oberlippe zitterte: Es war eine dieser Holzscheiben, mit denen die Menschen bekanntlich Hasen töten konnten. Hatte sie sich geirrt?
    Der Mensch drehte sich mit geschlossenen Augen im Kreis, warf die Scheibe, aber nicht in ihre Richtung, hoffentlich auch nicht in die des Rammlers, schade wäre es um ihn gewesen, denn sicherlich hätten sie einen hübschen Wurf zusammen gehabt! Sie verfolgte die Bewegungen des Menschen, sah ihn zu seinem Wurfholz gehen, es aufheben, dann schnurgerade weiter in die Richtung laufen, in die er es geworfen hatte und die – so stellte sie befriedigt fest – eine gänzlich andere war als jene, wo sich ihre Sasse mit den Jungen befand. Die Häsin legte sich auf den Bauch, knabberte an den Halmen; bestimmt würde sie den Rotfelligen morgen treffen, irgendwo auf ihrer Wiese.
    Hoch droben am Himmel zog ein Roter Maran bedächtige Kreise. Er war ein alter Vogel und hatte schon oft das Kommen und Gehen des nassen und des trockenen Windes erlebt. Er schaute hinab auf die Welt unter sich, auf dieses endlose Rund mit seinen gelbgrünen Grasflächen, dunklen Wäldern, ockerfarbenen Bergen, blauen Seen und silbernen, manchmal auch gelben Flüssen. An Tagen wie diesen, wenn die warme Sommersonne auf sein Gefieder brannte,
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