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Traum ohne Wiederkehr

Traum ohne Wiederkehr

Titel: Traum ohne Wiederkehr
Autoren: André Norton
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Sage, mein Verstand sei verwirrt durch den Verlust meines Lords, und daß du glaubst, ich habe den dunklen Weg zur Selbstzerstörung genommen, aus Liebe zu meinem Lord und aus Angst vor Rhuys. Es wird ihn erfreuen, zu hören, daß ich ihn so sehr fürchte.«
    Sie erhob sich. Follan band festgedrehte Tücher um Althamas Hand- und Fußgelenke, und steckte ihr auch ein zusammengeballtes Tuch als Knebel in den Mund, doch so, daß sie sich bald von allein davon befreien und die Wachen zu ihrer Hilfe rufen konnte.
    Tam-sin schlüpfte in den Kittel ihrer Magd, dann stand sie einen langen Moment reglos und benutzte ihr Traumtalent der vollkommenen Täuschung. Sie hörte, wie Follan laut die Luft einsog, und öffnete die Lider wieder.
    »Lady, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich es nicht glauben.«
    »Ich kann die Illusion nicht lange aufrechterhalten«, sagte sie. »Laßt mich den Strand erreichen, wo sie nach Treibgut suchen.«
    »Ich werde Euch gewiß keinen Stein in den Weg legen«, versicherte er ihr.
    Und so lief sie mit dem Aussehen Althamas in respektvoller Entfernung hinter dem Älteren, der an den Wachen vorbeiging, als wären sie unsichtbar, durch die Korridore. Eine schmale Treppe stiegen sie hinunter, und dann eine breitere. Schon jetzt konnte Tam-sin die Stimmen der Frauen hören, die eifrig damit beschäftigt waren, die Gaben des Sturmes aufzulesen. Im Freien eilte sie vor dem Älteren her, als wäre sie bisher von dieser Schatzsuche zurückgehalten worden und jetzt um so ungeduldiger, daran teilnehmen zu können. Da jedoch alles Treibgut in nächster Nähe bereits eingeholt war, mußte sie, so zumindest sah es aus, zu einem entfernteren Strandstück eilen.
    Als sie ein passendes erreicht hatte, kletterte sie über wasserüberspülte Felsbrocken, hinter denen sie ein geschütztes Fleckchen fand, wo nur zwei Frauen aufgequollene Algenstränge auseinanderrissen, um zu erkunden, was sie verbargen.
    Follan holte Tam-sin ein. »Lady, hier kann kein Schiff in See stechen.«
    Sie nickte. »Gut weiß ich das, Älterer. Aber ich habe meine eigenen Fähigkeiten, die mich dorthin zu bringen vermögen, wo mein Lord verschwand.« Sie setzte ihren Weg zu den ferneren Felsblöcken fort, von denen der Gischt weißschäumend herabsprühte.
    Als Tam-sin auf den vordersten dieser Felsen kletterte, blickte sie zurück zu Follan.
    »Älterer, was wird Rhuys tun, wenn er erfährt, daß Ihr mir zur Flucht verholfen habt?«
    Follan lächelte trocken. »Nichts. Er wird hören, daß ich Zeuge war, wie Ihr selbst, in Eurem Herzeleid und Eurer Angst, Euch der See, unserer Mutter, übergeben habt. Seid versichert, meine Lady, Rhuys wird es nicht leicht haben, in LochNar zu herrschen, Regent oder nicht. Und ihm werde ich bestimmt zu nichts verhelfen.«
    »Guter Freund.« Tam-sin lächelte ein wenig zittrig. Follan war nicht leicht zu verstehen, aber daß er dies für sie getan hatte, genügte, ihn wie einen Verwandten in ihr Herz zu schließen. »Sagt, was Ihr für richtig haltet, aber vielleicht lieber nicht die Wahrheit.«
    Sie schlüpfte aus dem Kittel, so daß sie nackt auf dem Felsen stand, wenn man von dem Gürtel absah, an dem der Dolch mit der langen Klinge hing, den Kilwar ihr als Vermählungsgeschenk verehrt hatte. Dann wandte sie sich der See zu, legte die Hände als Trichter an die Lippen und stieß einen hohen, weitdringenden Schrei aus. Dreimal rief sie derart, und beim drittenmal sah sie in der Ferne kurz etwas aus dem Wasser hüpfen, da wußte sie, daß sie gehört und ihr Ruf beantwortet worden war.
    Zufrieden damit glitt Tam-sin in die Umarmung der See, nachdem sie den richtigen Augenblick abgewartet hatte, um nicht von den Wellen gegen die Felsen geschmettert zu werden. Sie begann zu schwimmen. Sie hatte die Felsen noch nicht weit hinter sich, als jene, die sie gerufen hatte, zu ihren beiden Seiten auftauchten. Von ihren rundlichen, bläulichen Leibern war nicht viel zu sehen. Sie streckte jedem eine Hand entgegen und spürte wie diese sanft, aber fest von Mündern erfaßt wurden, deren scharfe Zähne, so gefährliche Waffen sie auch waren, sich nie gegen eine wenden würden, die das Geheimnis ihres Rufes kannte. Jetzt wurde sie mit einer Geschwindigkeit dahingezogen, wie kein Schwimmer, auch keiner der Seegeborenen aus den Burgen sie erreichen konnte. Sie brauchte kein Schiff, um die Riffe zu erreichen, wenn sie Gefährten wie diese Meerestiere hatte.
     
7.
     
    Hin und wieder schwamm Tam-sin
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