Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traum ohne Wiederkehr

Traum ohne Wiederkehr

Titel: Traum ohne Wiederkehr
Autoren: André Norton
Vom Netzwerk:
zurückgeblieben waren, aber ihre Gedanken konzentrierten sich nun lediglich darauf, wie sie an Bord gelangen könnte. Wenn nicht irgendwo am Schiff ein Tau ins Wasser hing, hatte sie keine Chance, zum Deck hochzuklettern.
    Sie tauchte wieder auf und schaute sich wassertretend um. Doch so weit sie sehen konnte, hing nirgendwo ein Tau herab. Was war mit der Ankerkette?
    Sie schwamm zum Heck, und da sah sie sie und hörte sie auch, wie sie gegen das Holz scharrte, das bereits von allen Muscheln und Pflanzen befreit blankgescheuert war. Anker selbst gab es keinen mehr, doch die Kette hing immer noch wie beschwert herab und tief genug, daß Tam-sin sie mit einem leichten Sprung erreichen und sich an einem halboffenen Glied festhalten konnte.
    Es war gar nicht leicht, an der Kette hochzuklettern, und sie war völlig außer Atem, als sie die Öffnung erreichte, aus der die Kette herauskam. Doch selbst für Tam-sins feingliedrige Figur war dieses Loch nicht groß genug. Verzweifelt suchte sie nach einem Halt darüber und vermochte sich schließlich auch heftig keuchend über eine splittrige Reling an Bord zu schwingen. Der Nebel verbarg alles rings um sie, bis auf etwa eine Armlänge. Sie kauerte sich zusammen, um zu lauschen, doch nicht mit den Ohren, sondern ihren besonderen Sinnen.
     
8.
     
    Sie spürte, daß sich Leben an Bord befand, aber es war so fremdartig, wenn auch auf andere Weise wie die Loxsas, und es überlagerte, ja erstickte fast Kilwars Spuren. Eines war Tam-sin sich von vornherein sicher. Sie würde nichts in den Kabinen oder auf den Gängen des schlingernden Schiffes finden. Hier war mehrmals alles abgesucht worden und bestimmt nichts verborgen geblieben.
    Und doch lauerte etwas an Bord …
    Die bloßen Füße des Mädchens verursachten keinen Laut, als sie vorsichtig, mit dem Dolch in der Hand, über das Deck schlich. Die Klinge hielt sie aus reiner Gewohnheit, denn es war ihr durchaus bewußt, daß dem, was sich hier an Bord verbarg, nicht mit blankem Stahl beizukommen war, wie geschickt er auch geführt werden mochte.
    Aber wenn dieses Unheimliche sich nicht an Deck befand, wo dann?
    Der dicke Nebel verhüllte alles, außer ihre unmittelbare Umgebung. So konzentriert sie auch lauschte, es war nichts zu hören, außer dem Schlagen der Wellen gegen die Schiffshülle, dem Scharren der Ankerkette, die wie ein Pendel ständig hin und her schwang.
    Etwas, dicht an den Deckenplanken, war im Nebel zu sehen. Ganz vorsichtig schlich Tam-sin auf diesen Schatten zu. Es konnte nur der der vertäuten und versiegelten Ladeluke sein. Sie stützte die Linke auf die Luke und fuhr mit der Rechten über die Taue, mit denen sie verschlossen war, und tastete sich den gesamten rechteckigen Rand entlang. Der Laderaum war der einzige Ort, an dem keiner der an Bord Gelockten nachgesehen hatte.
    Weil die Vertäuung straff und unbeschädigt aussah, und des Siegels wegen hatte keiner sich näher damit befaßt. Aber zweifellos war dies doch der einzige Ort an Bord, wo das lauern konnte, das schon so viele Männer hatte verschwinden lassen.
    Tam-sin hatte das Siegel ertastet. Es war fast so groß wie ihre Handfläche, und durch das vage Licht, das Teil des Nebels zu sein schien, konnte sie das Symbol erkennen, das in der wirklichen Welt das Wappen des Hauses Starrex war.
    Tam-sin kniete sich nieder. Die Deckplanken waren feucht, sicher vom Nebel, aber auch von einer ungewöhnlichen Kälte, die sie erschaudern ließ. Sie hob das Siegel, wo es über den Verschlußknoten lag und zog einmal fest daran.
    Ihr war, als hätte etwas in dem Kreuz und Quer der Vertäuung ein wenig nachgegeben. Erneut zog sie, noch fester diesmal. Das Siegel löste sich, und die Tauenden kamen frei, und viel zu leicht. Sie waren also gar nicht wirklich versiegelt gewesen, man hatte ihnen nur auf äußerst geschickte Weise den Anschein gegeben.
    Jetzt entfernte sie schnell die Taue von der Luke. Ob ihre Kraft ausreichen würde, die Luke zu heben, mußte sich erst noch herausstellen. Sie war in zwei Flügel geteilt, die einen schmalen Spalt in der Mitte freiließen. Um ihren Dolch nicht zu verlieren, schob Tam-sin den Griff zwischen die Zähne, dann krallte sie die Finger in den Spalt und zog mit aller Kraft.
    Fast hätte sie das Gleichgewicht verloren, als die Hälfte, an der sie zerrte, ohne größere Schwierigkeiten nach oben schwang. Sie mußte demnach viel leichter sein, als sie gedacht hatte. Vielleicht war sie auch durch Zufall auf einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher