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Traum ohne Wiederkehr

Traum ohne Wiederkehr

Titel: Traum ohne Wiederkehr
Autoren: André Norton
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keuchend mit feuchten Händen und trockenem Mund auf dem Bett. Diese Furcht – sie analysierte sie, so gut sie es konnte. Es war nicht die normale Angst, wie man sie dem Unbekannten gegenüber empfinden mochte. Nein, es war eine Panik, wie sie sie noch nie zuvor gekannt hatte. Ihr war, als ginge ein Gestank wie von verwesenden Leichen von diesem fremden Schiff aus, und etwas, das sie direkt im Herzen ihrer ungewöhnlichen Gabe getroffen hatte.
    Sie mußte sich wieder auf Kilwar konzentrieren, obgleich sie sich davor fürchtete, seine Umgebung zu sehen, und sie am ganzen Leibe zitterte, als stünde sie nackt in einem eisigen Wintersturm.
    Kilwar! Sie bemühte sich, alle Angst zu verdrängen und die Verbindung wieder herzustellen. Was war es, das ihr entgegenschlug? Der Tod? Nein, etwas anderes, das aber für ihresgleichen genauso schlimm war, und das in diesem nur halb sichtbaren Schiff lauerte. Tam-sin wußte es so sicher, als hätte sie ein grauenvolles Ungeheuer gesehen, das sich hinter der Reling erhob und die schrecklichen Klauen ausstreckte, um seine Beute an sich zu reißen.
    Kilwar! Trotz ihres Grauens gelang es Tam-sin, ihre Kräfte wieder zu sammeln und sein Bild heraufzubeschwören. Die ganze Welt schien sich um sie zu drehen, und sie hatte ein scheußliches Gefühl im Magen, doch dann war sie bei Kilwar, aber an einem anderen Ort. Der Seekönig stand wieder auf einem Deck, und diesmal konnte es nur das des Geisterschiffs sein.
    Nach dem, was der Nebel ihr zu sehen gestattete, schloß sie, daß die Größe dieses Fahrzeugs etwa halbwegs zwischen der von Pihuys Schiff und dem Schlachtschiff lag, das ihr Lord befehligte. Es hatte nicht die geraden, eleganten Linien der Bauweise des Seevolks, sondern war bauchiger und dazu bestimmt, mehr Fracht zu tragen, als jeder der Seekönige sein eigen nannte. Vor Kilwar befand sich eine Luke, deren Tauverschluß fest verknotet und mit einem Siegel von der Größe ihrer Handfläche versehen war. Als Kilwar sich niederkniete, um es genauer zu betrachten, war sie nicht im geringsten überrascht, das Wappen zu sehen, das Pihuys für sie gezeichnet hatte.
    Kilwar winkte und erteilte Befehle, die sie nicht hören konnte. Männer stiegen vom Boot an Bord des Geisterschiffs. Sie verteilten sich paarweise mit gezogenen Waffen zu einer Durchsuchung. Kilwar selbst begab sich in die Kapitänskajüte, und ihr Blick folgte ihm.
    Ein Tisch stand hier, der an den Boden geschraubt war, außerdem ein hölzerner Stuhl und eine Bank, und eine Koje, mit Salzflecken auf ihrem roten Überzug. Eine Flasche, deren Inhalt längst ausgeflossen war und ein klebriges Muster hinterlassen hatte, rollte auf dem Boden hin und her. Auch ein Waffenregal gab es, aus dem jedoch kein einziges Schwert fehlte und auch nicht eine der doppelklingigen Streitäxte, die darunter hingen. Doch nichts Lebendes war hier zu sehen, außer Kilwar und den Gefolgsleuten, die mit ihm gekommen waren. Die Männer traten in Paaren herein, um dem Seekönig, der es sich auf dem Stuhl bequem gemacht hatte, Meldung zu erstatten. Nach Kilwars Miene zu schließen, erfuhr er nichts weiter als das, was Pihuys bereits berichtet hatte: das Schiff war menschenleer.
    Und doch lauerte diese Bedrohung, die das Panikgefühl in Tam-sin geweckt hatte, immer noch hier. Nur mit größter Willenskraft vermochte sie die Verbindung aufrechtzuhalten. Es erschien ihr irgendwie unerklärlich, daß sie dieses lauernde Ungeheuer nicht sehen konnte, das zweifellos mehr Substanz als Schatten war. Doch so sehr sie sich auch bemühte, sie vermochte nichts zu entdecken, obgleich sie mit absoluter Gewißheit wußte, daß dieses Grauen, das sie spürte, sich an Bord befand.
    Das letzte Paar der Suchmannschaft hatte seine Meldung erstattet. Kilwar stützte die Ellbogen auf den Tisch und das Kinn auf eine Faust, sein Blick wirkte nachdenklich. Als er zu Pihuys sprach, machte der eine abwehrende Gebärde, und dann schienen sie offenbar heftig zu argumentieren, bis Kilwar auf den Tisch schlug. Schließlich richtete er den Blick auf etwas hinter dem Kapitän und deutete auf zwei wartende Gefolgsleute, die Tamisans Tam-sin-Ich als erprobte Kampfgefährten ihres Lords erkannte. Auf seine Geste salutierten sie ihm mit blanken Klingen.
    Erneut schien Pihuys zu protestieren, doch auf Kilwars ausdrücklichen Befehl hin verließ er widerstrebend die Kajüte, und alle, außer den beiden vom Seekönig Erwählten, folgten ihm. Tam-sin konnte sich vorstellen, wie Kilwars
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