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Traum ohne Wiederkehr

Traum ohne Wiederkehr

Titel: Traum ohne Wiederkehr
Autoren: André Norton
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Befehl gelautet hatte. Er hatte beschlossen, mit diesen beiden an Bord des Geisterschiffs zu bleiben, um zu versuchen, sein Geheimnis zu lösen. Wieder übermannte diese ungewohnte Panik sie, daß die Verbindung erneut unterbrach und sie sich wieder in ihrem Muschelbett befand. Auch jetzt kämpfte sie heftig gegen diese ungeheure Angst an.
    Diesmal dauerte es etwas länger, bis sie ihre Selbstbeherrschung wiedergewonnen hatte, vermutlich war ihre Willenskraft durch die vorherige Anstrengung schon ein wenig geschwächt. Trotzdem, und obwohl es ungemein qualvoll für sie war, plagte sie sich, die Verbindung neu aufzunehmen. Als es ihr endlich glückte, lag die Kapitänskajüte auf dem Geisterschiff zum größten Teil im Schatten. Die beiden Schiffslaternen, die auf dem Tisch standen, brannten nur schwach und flackernd und verliehen lediglich ihrer unmittelbaren Umgebung ein wenig Licht. Tam-sin konnte Kilwar sehen, der immer noch, oder vielleicht auch wieder, auf dem Stuhl saß.
    Auf der Tischplatte vor ihm lag bloß ein blankes Schwert, er hatte sich auch zwei der doppelklingigen Streitäxte bereitgelegt. Das Regal, in dem sich diese Waffen befunden hatten, war jetzt leer. Tam-sin nahm an, daß er die Waffen an seine eigenen Leute verteilt hatte, damit niemand oder nichts sonst sich heimlich ihrer bedienen konnte.
    Seine Haltung ließ darauf schließen, daß er lauschte, doch offenbar hatte er bisher noch nichts Verdächtiges gehört, und wartete nur darauf, daß sich etwas tat. Hin und wieder öffnete er den Mund, vermutlich, um seinen Leuten zu rufen und sich zu vergewissern, daß sie sich noch auf ihren Posten befanden.
    Auf diese Weise schien die Zeit sich endlos dahinzudehnen. Das Laternenlicht flackerte noch stärker. Manchmal stand Kilwar auf und marschierte hin und her, und jedesmal mit dem Schwert in der Hand, als beabsichtige er nicht, sich von einem Feind überraschen zu lassen.
    Plötzlich schien er erneut zu rufen. Er wirbelte zum Tisch herum und riß mit der Linken eine der Streitäxte hoch. Dann sprang er in die Schatten außerhalb des Laternenscheins. Das Deck – rannte er zum Deck?
    Offenbar, denn Tam-sin sah jetzt einen Nebelvorhang, der silbrig schimmerte. Sie erkannte sofort, daß das kein normaler Nebel war, denn Flitterstäubchen bewegten sich in ihm wie hin und her huschende Insekten. Eine dunkle Gestalt taumelte durch diesen Vorhang. Der Schattenmann stürzte, gerade als Kilwar in den Nebel tauchte. Er machte einen Sprung, so daß er mit je einem Fuß links und rechts über der liegenden Gestalt stand. Sein Schwert hatte er zum Schlag erhoben und den Kopf ein wenig schräg geneigt, als habe er Schwierigkeiten, genau zu sehen.
    In diesem Moment schlug die Panik, die sie bereits zweimal zuvor erfaßt hatte, voll zu. Tam-sin wurde in eine Finsternis absoluten Grauens gerissen, und sie raste vor etwas dahin, das sie nicht anzusehen wagte und sich auch nie vorzustellen vermögen würde, bis sie schließlich ihre Rettung in einer Ohnmacht fand.
     
6.
     
    »Lady!«
    Es war ein Ruf aus weiter Ferne. Sie wollte ihn nicht hören. Hier war Sicherheit, dort aber …
    »Lady!«
    Tam-sin wurde sich ihres Körpers wieder bewußt, obwohl sie ihre Augen nicht öffnen wollte. Die Erinnerung war zurückgekehrt und brachte das letzte Geistbild ihres Lords mit sich, wie dieser Nebel mit seinen unheiligen Glitzerfünkchen ihn eingehüllt hatte. Aber jetzt lag eine Hand auf ihrer Schulter, und zum drittenmal drängte eine Stimme:
    »Lady!«
    Widerstrebend öffnete sie die Augen. Althama, ihre Leibmagd, beugte sich über sie. Sie wirkte verstört.Über ihre Schulter hinweg sah Tam-sin Follan. Daß der Ältere in ihr Schlafgemach gekommen war, ließ wahrhaftig auf etwas Unaufschiebbares und bestimmt Unerfreuliches schließen.
    Tam-sin setzte sich auf. »Unser Lord …«, krächzte sie, als hätte sie eine lange Zeit nicht mehr gesprochen. »Er ist in großer Gefahr.«
    »Lady«, erwiderte Follan mit ernstem Gesicht. »Wort kam durch Kurieradler, daß unser Lord, als die Herren von Lockriss und von Lochack zu dem vereinbarten Treffpunkt kamen, mit zwei seiner Gefolgsleute verschwunden war und das Geisterschiff ohne eine Menschenseele an Bord dahintrieb.«
    »Er ist nicht tot!«
    »Lady, sie haben das Geisterschiff wieder aufs gründlichste durchsucht. Sie fanden absolut keine Spur von ihnen an Bord.«
    »Er ist nicht tot!« wiederholte sie scharf. »Denn das würde ich wissen, Älterer. Wenn man so verbunden ist, wie
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