Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Transfer (German Edition)

Transfer (German Edition)

Titel: Transfer (German Edition)
Autoren: Andreas Dorn
Vom Netzwerk:
und aktivierte das
Empfangsteil des Senders. Sie war inzwischen bereit, sich an jeden noch so
dünnen Strohhalm zu klammern.
    Wenn sie zumindest in der
Nähe ihres Zielgebietes gestrandet waren, auch wenn die Kameras und Orter das
System selbst noch nicht erfassen konnten, mußte sie doch wenigstens
Funksignale oder ein schwaches Echo der Navigationsfeuer empfangen können. Aus
den Akustikfeldern der Funkkonsole ertönte jedoch nur ein gleichmäßiges
Prasseln und Rauschen. Enttäuscht schaltete sie den Sender wieder ab und atmete
tief durch. Sie waren mitten im Nirgendwo gestrandet, daran konnte kein Zweifel
mehr bestehen.
    Unter diesen Umständen
hatte sie keine Wahl: Egal was mit Tanner los war und ob er sich noch meldete
oder nicht, sie mußte die Besatzung aus dem Kälteschlaf wecken. Allein oder
auch zu zweit konnten sie mit dieser Situation unmöglich fertig werden.
    Tara Zordin konnte nicht
gerade behaupten, dass sie sich auf ein Wiedersehen mit Captain Raskar und dem
Rest der Besatzung freute. Sie war zwar nicht direkt ein Misanthrop, aber sie
kam sehr gut alleine klar und sie mochte die Phasen des Fluges, in denen sie
alleine oder beinahe alleine war, wenn man Tanner mitrechnete, der sich
meistens im Maschinenraum verkroch.
    Außerdem hatte sie, wenn
sie ehrlich zu sich selbst war, längst so gut wie jegliches Vertrauen in den
Captain verloren. Seit seiner ersten Landung auf Blossom war ihr Raskar immer
unheimlicher geworden. Irgendetwas mußte dort mit ihm passiert sein, etwas
Furchtbares, das eine so tiefgreifende und unheimliche Veränderung in seiner
Persönlichkeitsstruktur bewirkt hatte, dass sie ihn kaum noch wiedererkannte.
Captain Raskar war jetzt eindeutig grausamer und viel unberechenbarer als
früher; aus dem entschlossenen und mitunter kompromißlosen, aber immer
gerechten und rational handelnden Kommandanten, den sie gekannt und respektiert
hatte, war ein wahnsinniger Despot geworden. Und das Schlimmste daran war, dass
sie manchmal das Gefühl hatte, sie wäre die Einzige, die diese Veränderung
überhaupt wahrnahm. Schon auf ihre vorsichtigen Fragen nach den Ereignissen auf
dem Planeten oder den Veränderungen an ihrem Antrieb hatte er wie ein
Wahnsinniger reagiert. Dabei war die Frage mehr als berechtigt: Woher zum
Teufel kannten ausgerechnet diese mehr als merkwürdigen Typen das Geheimnis des
Überlichtfluges, wenn der Rest der Menschheit seit Jahrhunderten mit Unterlicht
durchs All kroch? Einen Moment lang hatte sie sogar gefürchtet, Raskar
würde sie auf der Stelle umbringen.
    Und Kobayashi und
Halpron, seine beiden Stellvertreter, waren kaum weniger gefährlich. Sie hatten
sich psychisch nicht weniger drastisch verändert, als Raskar selbst. Sie würden
zwar nicht aus eigener Initiative handeln, so ergeben wie sie dem Captain
waren, aber sie würden bestimmt auch nicht zögern, sie zu töten, wenn Raskar es
ihnen befahl. Und sie traute ihm in seinem derzeitigen Zustand durchaus zu,
dass er es ihnen aus einer bloßen Laune heraus befehlen könnte.
    Und der Rest der
Besatzung? Vela Thaidys und Morina Jorlan, die beiden anderen Frauen an Bord,
hatten sich der Besatzung der Dark Horizon erst angeschlossen, nachdem
ihr eigenes Schiff von Raskars Leuten in einem Raumgefecht schrottreif geschossen
und geentert worden war. Sie verkauften ihre Loyalität ebenso bedenkenlos wie
Drogen, Waffen oder zur Not auch ihre eigenen Großmütter. Von ihnen war sicher
keine Hilfe zu erwarten, wenn es zu einer Konfrontation mit dem Captain käme.
    Auch von dem Bordmediker
sicher nicht; Abgrall war viel zu sehr damit beschäftigt, seinen eigenen Körper
ständig mit neuen und immer leistungsfähigeren cybernetischen oder
semi-organischen Implantaten aufzurüsten, um sich um die Vorgänge an Bord zu
kümmern. Es war schon ein kleines Wunder gewesen, dass er sich überhaupt mit
Tanner beschäftigt hatte, wenn auch nicht besonders intensiv.
    Und Borkard, der
Waffenoffizier? Wenn er nicht im Feuerleitstand über seinen implantierten
Bio-Servo mit den Kontrollen der Waffensysteme verschmolz und immer neue
Gefechtsübungen simulierte, saß er in seiner winzigen, vollgestopften Kabine
und stierte mit leerem Blick gegen die Wände. Auch er ein besserer Psychopath,
nur war sein Wahnsinn noch nicht ganz so manifest wie der Tanners. Was für eine
elitäre Gesellschaft von Halsabschneidern, Irren und Drop-Outs.
    Tara Zordin gab sich einen Ruck, als
wollte sie die verwehenden Gedanken von sich abschütteln, zündete sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher