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Transfer (German Edition)

Transfer (German Edition)

Titel: Transfer (German Edition)
Autoren: Andreas Dorn
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Kapitel 1
    Die
Ruhe vor dem Sturm
     
    Blossom , Delta-Inioni-System, 2558
     
    Die schwüle Hitze des
Nachmittags lag wie eine bleierne Last auf dem dampfenden Überfluß des
Dschungels. Selbst das pulsierende Leben des tropischen Urwalds schien den Atem
anzuhalten und sich zu verkriechen. Das sonst beinahe ohrenbetäubende Konzert
aus Gebrüll, Gekreisch, Gezwitscher und Knacklauten von brechendem Holz war
fast von einer Sekunde zur anderen verstummt. Eine tiefe, unnatürliche Stille
hatte sich breit gemacht und kündigte den nahenden Tropensturm an.
    Nicht einmal der
allmählich aufkommende Wind brachte Erleichterung von der drückenden Hitze,
sondern trug nur den stechenden Geruch von Ozon und das Aroma regenschwerer
Erde mit sich. Die ganze Atmosphäre schien langsam überzukochen.
    Eric Baillard konnte die
drückende Schwüle kaum noch ertragen. Nicht nur, dass die Hitze ihm den Schweiß
aus allen Poren trieb, die heiße, feuchte Luft legte sich auch erstickend auf
seine Atemwege und schien jeder Bewegung einen zusätzlichen, fast körperlich
spürbaren Widerstand entgegenzusetzen.
    Und die übelkeiterregende
Hitze hatte längst auch auf seine Gemütslage und seinen Verstand abgefärbt: er
fühlte eine bedrückende Anspannung, die sich irgendwie entladen mußte, wenn er
endlich wieder unbeschwert durchatmen und einen klaren Gedanken fassen wollte.
    Der Xenoarchäologe stand
niedergeschlagen am Rand des Ausgrabungsfeldes und wußte nicht einmal, ob die
Arbeit der letzten Tage auch nur die nächsten Stunden überstehen würde.
    Langsam und unerbittlich
stieg der bittere Geschmack der Niederlage in ihm auf, wenn er daran dachte,
dass am Ende alles umsonst gewesen sein sollte.
    Sein Blick glitt über die
Gipfel der nahen Bäume, die dichtgedrängt wie eine heranrollende, dunkle Woge
vor ihm aufragten, und blieb schließlich an dem hohen, zerbrechlich wirkenden
Skelett eines uralten, fremdartigen Turms hängen, der einsam aus dem grünen
Dach des dampfenden Regenwaldes in den Himmel ragte.
    In der Ferne zuckte ein
erster Blitz über dem dunklen Laubdach auf und tauchte den traurigen Überrest
einer längst untergegangenen, fremden Zivilisation kurz in ein gleißendes,
unwirkliches Licht. 
    Was für Wesen mochten wohl vor
Jahrzehntausenden auf Blossom gelebt haben? Oder war dieser Planet für sie
vielleicht nur eine Zwischenstation auf einer äonenlangen, interstellaren
Wanderschaft gewesen? Wie mochten sie ausgesehen haben? Hatten sie zu einer der
untergegangenen Kulturen gehört, deren Spuren sie schon auf anderen Planeten
entdeckt hatten? Er hatte bisher keine Antwort auf seine Fragen gefunden, und
nun lief ihm die Zeit unerbittlich davon.
    Es war zum verrückt
werden.
    Baillard versuchte
mühsam, ruhig und rational zu bleiben. Seine berufliche Spezialität bestand
schließlich darin, unter hohem Zeitdruck und mit oft minimaler Ausrüstung und
lächerlich kleinen Teams Grabungen auf fremden Welten durchzuführen. Im Laufe
der Jahre hatte er dabei gelernt, seine Erfolgsaussichten nüchtern und
illusionslos einzuschätzen und sich nicht zuletzt auf seine Intuition zu
verlassen.
    Nur diesmal schien ihn
sein Glück restlos verlassen zu haben. Außer den wenigen Überresten einiger
völlig zerstörter Gebäude, die auf eine Fläche von kaum einem Quadratkilometer
verteilt waren und deren Ursprung oder Zweck sie nicht einmal erahnen konnten,
hatten sie bisher kein einziges Artefakt auf dieser gottverlassenen Welt
gefunden.
    Es gab auf dem ganzen
Planeten keinerlei Hinweise auf eine autochtone Entwicklung intelligenten
Lebens, keine Spuren einer früheren großflächigen Besiedlung oder auch nur
eines einzigen urbanen Komplexes. Nur einige Gebäudereste aus einer halb
zerschmolzenen, völlig unbekannten Legierung, die im Laufe der Jahrtausende so
porös geworden waren, dass sie fast unter der leisesten Berührung zu Staub
zerfielen. Und dann die Art der Zerstörungen selbst...
    Im Laufe der letzten drei
Jahrhunderte waren Generationen von Xenoarchäologen bereits auf vier Planeten
im Umkreis von zwei Dutzend Lichtjahren von der Erde auf die
Hinterlassenschaften untergegangener, raumfahrender Fremdkulturen gestoßen, und
jedesmal fanden sich Hinweise, dass sie von unbekannten Feinden regelrecht
ausradiert worden waren.
    Wenn sie nur mehr Zeit
hätten, dachte er, um diesem verdammten Planeten seine Geheimnisse zu
entreissen. Aber genau da lag das Problem. Die Prospektorenteams ihrer kleinen
Expedition hatten ihre
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