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Traeume von Fluessen und Meeren

Traeume von Fluessen und Meeren

Titel: Traeume von Fluessen und Meeren
Autoren: Tim Parks
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ganz still zu liegen, »ich kann mir einfachnicht vorstellen, was er mit einer wollte, die vierzig Jahre jünger war als er. Oder warum um alles in der Welt das Mädchen ihn wollte.«
    Etwas in seiner Stimme ließ sie erschaudern, und sie spürte, wie ein Tropfen Wasser über ihre Hand rann. Schließlich fragte sie: »Wusste deine Mum davon?«
    Sein Gesicht war vollkommen glatt. »Keine Ahnung.«
    »Vielleicht war es nicht so wichtig. Bloß eine Art Panne.«
    »Und dann stirbt sie mit diesem blutjungen Typen neben sich.« John sprach ruhig und sanft. »Das ist doch seltsam, oder?«
    Elaine sagte jetzt nichts. Sie konzentrierte sich darauf, ihren Arm ruhig zu halten, und dachte gleichzeitig, dass es sinnlos war, weil sie ja sowieso schon etwas verschüttet hatte, und zwar noch ehe sie das Zimmer durchquert hatte, von der Welt ganz zu schweigen.
    John schlug die Augen auf. Er betrachtete sie, wie sie zwischen Sofa und Gästezimmer stand, dann lächelte er plötzlich. »Meine Güte, hast du kleine Füße!«
    Sie versuchte zu lachen. »Das hast du schon immer gesagt.«
    »Tut mir leid«, sagte er, »aber ich habe seit Monaten das Gefühl, als versuchte ich dauernd, aus irgendetwas aufzuwachen.« Er dachte kurz nach. »Aber ehe ich aufwache, muss ich mich an den Traum erinnern, den ich hatte, und das gelingt mir nicht. Als dieser blöde Sikh seine Rede gehalten hat, ich weiß nicht wieso, aber da war ich sicher, jetzt würde es passieren. Irgendetwas Furchtbares. Aber dann ging das Gefühl wieder vorbei.«
    Sie wartete, hielt das Glas jetzt ruhiger. Kurz darauf sagte sie: »Ich fand es sehr schön, was der Sikh gesagt hat. Wie hieß er noch mal? Ich meine, es zeigte doch, wie sehr die Leute sie geliebt haben.«
    John schloss die Augen und lag still.
    »Möchtest du Wasser?«, fragte sie.
    »Nein danke«, sagte er.Am nächsten Morgen wurde, kaum dass sie den Abfertigungsschalter im Flughafen passiert hatten, eine Verspätung bekannt gegeben. Jemand hatte in Heathrow eine Bombe im Buggy eines Kleinkinds versteckt. Sie warteten drei Stunden, während die British Airways ihre eigenen Sicherheitskontrollen durchführte. Selbst mit Klimaanlage war die Hitze unangenehm, und noch dazu hatten sie Flaschen und Flüssigkeiten jeder Art abgeben müssen.
    »Wir müssen Paul sein Geld aber zurückzahlen«, sagte sie, als sie endlich ins Flugzeug stiegen. »Er war wirklich sehr großzügig.«
    »Ich mag ihn nicht«, sagte John.
    Elaine schloss ihren Sicherheitsgurt. Sie ließ die Sache auf sich beruhen. John hatte etwas Scharfes, Unnachgiebiges, das er früher nicht gehabt hatte. Aber als die Flugbegleiter mit dem Sicherheitstrara anfingen, lachte er und schüttelte den Kopf. »Also weißt du, wenn ich darüber nachdenke, dass du extra nach Delhi gekommen bist, um meinen Heiratsantrag anzunehmen, dann kann ich es kaum glauben. Ich kann kaum glauben, dass du das gemacht hast. Es war verrückt. Du bist verrückt.«
    »Tja, ich habe es eben gemacht.«
    »Dir ist klar, dass ich mittellos bin, oder?«
    »Ich weiß.«
    Er zögerte. »Vielleicht war es dumm, aber ich war ganz sicher, dass du was mit diesem Japaner hattest.«
    »Habe ich aber nicht.«
    Als das Flugzeug abhob, schaute John aus dem Fenster und suchte nach dem Fluss. Es war früher Nachmittag, und die Stadt war in Feuchtigkeit getunkt. Es war schwierig, irgendetwas Bestimmtes zu erkennen. »Ich habe ein Tuch für dich gekauft«, sagte er schließlich, »echt Paschmina, aber es wurde gestohlen, zusammen mit meinem Handy. Ich habe irgendwie kein Glück mit Geschenken, nicht?«
    »Klingt eher, als hätte ich kein Glück damit«, sagte Elaine.
    Die Passagiere machten es sich bequem. Auf den Bildschirmen über ihren Köpfen erschien die grafische Darstellung der Flugroute und der Strecke, die das Flugzeug auf dem langen Weg nach London bereits zurückgelegt hatte. Geplagt, vielleicht auch gesegnet , dachte John, hatte sein Vater in seiner eckigen Handschrift geschrieben, durch Träume von Flüssen und Meeren . Ganz kurz stellte er sich vor, wie Albert James Jasmeets Hand hielt, während die beiden Treppe um Treppe nach unten in die Erde hinabstiegen. Ein umgekehrter Tempel, hatte sie gesagt. Der Brunnen war schon vor Jahrhunderten versiegt. Das Mädchen ist zu ihrer Familie zurückgekehrt, dachte John. Dann erinnerte er sich an seine Mutter, wie sie Arm in Arm mit der dunkelhäutigen jungen Gestalt auf der Matratze gelegen hatte.
    John starrte auf den Bildschirm, wo der rote Strich von
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