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German Angst

German Angst

Titel: German Angst
Autoren: Friedrich Ani
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1   11. August
    S ie brachten Finsternis und Furcht in ihr Haus, sie brachten den Geruch von Aftershave, Shampoo und Bier. Sie brachten ein Springmesser mit, eine Gartenschere und eine grüne Handsäge. Sie schlugen auf sie ein und sie fingen sie auf. Sie waren zu fünft und sie waren das Volk. Wir handeln im Auftrag des Schweigens der Regierung, des Oberbürgermeisters, des Bäckers und des Taxiunternehmers. Sie schnitten ihr mit der Gartenschere die Haare in Büscheln vom Kopf. Sie schoben ihr den Messergriff zwischen die Zähne. Und wenn sie sich bewegt, schnellt die Klinge heraus und durchbohrt ihren Rachen, das ist gewiss, sagt der Mann, den Daumen am Druckknopf, und seine Finger riechen nach Tabak. Sie hielten sie fest im Namen des Gesetzes und der öffentlichen Meinung. Sie schnitten ihre Kopfhaut blutig und zerrissen ihr gelbes Sommerkleid aus Freude über den Paragrafen für Zucht und Ordnung. Wir kommen als Abgesandte der Ordnung, der Zucht und des Gemeinwohls zu dir. Wir kommen als Hüter der allgemeinen Sicherheit und des Wohlstands in der Stadt und im ganzen Land. Wir kommen als Bürger, die Steuern zahlen, unrechtmäßig arbeitslos sind und nicht länger zuschauen wollen.
    Sie gehörten zu den mittleren Millionen, die der Bauch, das Herz, die Physiognomie und die Psyche des Staates waren, dessen Stimme, Wut und Macht. Sie waren nur fünf, ein Lehrer, ein Automechaniker, ein Maler, ein Maurer und ein Versicherungsangestellter, aber sie waren sich sicher, die Speerspitze zu sein, die unerschrockene Vorhut, die Stimme der allgemeinen Stimmung. Sie redeten kaum ein Wort, sie handelten. Sie benutzten ihre Fäuste, ein olivgrünes Super-Automatic-Rostfrei-Messer, eine schwarze schnipp-schnappscharf-geschliffene Zangenschere, aber nicht die kleine grüne Säge, mit der fuchtelten sie ihr nur vor der Nase herum, was sie nicht sehen konnte.
    Sie musste sich übergeben, direkt zwischen die staubigen, rissigen Stiefel des jungen Mannes vor ihr. Er sprang zur Seite und ein anderer schlug ihr so fest auf den Hinterkopf, dass sie hinfiel, mit dem Gesicht voran in ihr Erbrochenes. Sie hoben sie hoch und einer holte aus der Küche ein Geschirrtuch und scheuerte ihr damit die Wangen wund. Und einer goss ihr einen Topf kaltes Wasser ins Gesicht und ein anderer trocknete sie ab.
    Und während der ganzen Zeit sah sie nur Funken in der Finsternis, denn sie hatten ihr mit einem breiten Band die Augen verklebt.
    Wie ihnen befohlen worden war, fesselten sie der Frau die Hände auf dem Rücken, verknoteten Schnüre an ihren Füßen, stopften ihr ein Taschentuch in den Mund und verklebten ihn mit demselben braunen Paketband wie ihre Augen. Und der Befehl war gut und die Frau war schön. Sie hatten ihr Kleid zerschnitten, ohne Auftrag, aus purem Übermut, und der mit der Schere hätte beinah etwas gesagt, doch der Älteste der fünf stieß einen bösen Laut aus und der andere spuckte auf den Boden. Im Wind der schnellen Stiefel fegten blonde Haare über den taubengrauen Teppich und die Blutstropfen waren deutlich zu sehen, aber niemand sah hin. Sie beendeten ihre Aktion und wunderten sich ein wenig, wie einfach alles gewesen war und warum die Frau nicht geschrien und sich gewehrt hatte.
    Sie wunderten und bewunderten sich, da lag die Frau schon im Kofferraum des frisch gewaschenen roten Nissan Primera, zusammengekrümmt und halb betäubt von einer milchigen Flüssigkeit, die einer der Männer ihr eingeflößt hatte, bevor er ihr von unten gegen das Kinn schlug, so dass sie sich verschluckte und husten musste und dafür noch einmal einen Hieb auf den Mund bekam.
    Sie fuhren durch München, beseelt von ihrer Tat und dem lautlosen Beifall einer Mehrheit, aus deren Mitte sie stammten. Sie wussten, dass alle, die in nächster Zeit auf sie stolz sein würden, ihre Dankbarkeit nicht zeigen durften, weil das verpönt war in diesem Land. Doch das erfüllte sie nur mit noch mehr Erhabenheit. Was wir uns trauen, traut sich sonst niemand. Was wir getan haben, ist beispiellos und ein Signal für die Zukunft. Sie waren nur fünf, aber sie wussten, sie waren viel mehr, nicht nur in dieser Stadt, sondern überall, wo Deutsche das Gekrieche vor den Besserwissern und Gewissensträgern, die jeden Tag hausieren gingen mit den Lügen der Vergangenheit, satt hatten. Wir fünf sind die Hand der Wahrheit und die Wahrheit kommt ans Licht, endlich, jetzt und unübersehbar. Und dann hielt der Mann hinter dem Lenkrad, der Älteste, den Wagen an und
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