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German Angst

German Angst

Titel: German Angst
Autoren: Friedrich Ani
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ist noch nicht Mensch.« Einen Moment lang schwieg sie, dann sagte sie: »Verzeih mir, dass ich so bin wie ich bin, ich weiß, ich bin ein formloser Zwerg, der im Nebel schlafwandelt und nach seinem Erwachen sucht. Ich hab mir deine Worte gemerkt, ich bin ein Zwerg, der sich verirrt hat, und ich war deswegen voller Hass. So gerne wär ich sanftmütig gewesen, zu meinem Vater, zu seiner Freundin, aber ich war es nicht. Ich war es nicht, ich war böse, ich hab ihnen wehgetan, ich hab sie verwundet und ich hab ihre Wunden nicht geheilt. Ich war das vergilbte Blatt, das den Baum zerstört, und ich glaub nicht, dass der Baum es so wollte, wie du sagst, denn du sagst, ein einzelnes Blatt vergilbt nicht ohne das stille Wissen des ganzen Baumes. Aber das stimmt nicht, das stimmt nicht. Mein Baum war ein guter Baum, mein Vater war ein kluger Vater und meine Mutter eine fröhliche Mutter. Bloß ich war ein böses Kind, ich bin ein Kind ohne Sanftmut und ich schäme mich deswegen. Ich bereue, was ich getan hab, ich bereue und ich möchte, dass du meinem Vater sagst, dass es mir leid tut, wie ich gewesen bin und was ich getan hab. Ich war nie dankbar, aber nicht, weil ich nicht dankbar sein wollte, sondern weil ich nicht wusste, wie das geht. Sie haben mich alle als Eindringling gesehen, aber ich war doch eine von ihnen, wir stehen alle zusammen vor dem Angesicht der Sonne, wie der schwarze und der weiße Faden zusammengewebt sind. Das sind deine Worte und ich bitte dich, sag meinem Vater, was ich dir sag: Ich danke ihm für das Göttliche, das ich von ihm habe, so wie ich meiner Mutter für das Göttliche danke, das ich von ihr habe, und eines Tages, wenn wir uns Wiedersehen, werd ich vor ihnen stehen und sie umarmen und meine Arme werden sanftmütig sein wie meine Gedanken und darauf freu ich mich. Und wenn die Erde meinen Körper fordert, dann werd ich tanzen, so wie du es vorhergesagt hast, und auch darauf freu ich mich. Unmaskiert will ich sein, ganzkörperschwarz vor Schönheit, und in den Keller meines Herzens fällt endlich Licht und mein Schatten spielt mit mir und endlich, endlich ertrag ich mich am Morgen und wenn ich will, dann lass ich mich berühren, meine Haut ist nämlich bewohnbar.«
    Bevor sie im Echo ihrer Worte ausruhen wollte, richtete sie sich noch einmal auf. Wohin sie auch blickte, ihr Verfolger war nicht zu sehen. Er hatte sie verloren und das war gut. Sie schloss die Augen und wünschte ihm ein ehernes Glück.

EPILOG
    U nd er stand auf einem Marktplatz und senkte den Kopf. Er hatte sie verloren. Und er glaubte nicht daran, dass er sie in der Zehnmillionenstadt wieder finden würde. Niemand würde sie finden, von niemandem würde sie sich je wieder einfangen lassen. Sie wollten sie loswerden und nun hatten sie es geschafft. Sie wird eure Ruhe nicht mehr stören. »Aufatmen!«, rief er mit heiserer Stimme in den schmierigen Himmel. Dann setzte er sich auf den Boden, kreuzte die Beine, lehnte sich an eine Mülltonne und vergrub den Kopf unter den Armen.
    »Hello, my friend!«, rief einer der Händler, der eine handgewebte, vielfarbige Mütze trug. Tabor Süden sah zu ihm hin.
    »Ya look like lost something!«
    »Yes.«
    »Ya wan buy something?«
    »No.«
    »Soon come better day!«, rief der Händler und lachte. Süden erhob sich und ging weg.
    In weniger als zwei Tagen würde er kein gescheiterter deutscher Polizist mehr sein. Nur noch ein gescheiterter Mensch. Das war ihm lieber. Auf diese Weise hätte er weiterhin eine Existenzberechtigung, zumindest zwischen den Eisbergen seines Zimmers. Und anderswo gehörte er nicht hin.
    »Soon come better day!«, flüsterte er dem toten Christoph Arano zu, bevor dessen Sarg in den Frachtraum des Flugzeugs geschoben wurde. Millionen von Fernsehzuschauern sahen und hörten zu. Manche waren gerührt.

Danksagungen
    H erzlichen Dank an Sonja Laubach für die ausgezeichneten Recherchen zum Thema German Angst, an Leo Borgman für die Unterstützung in juristischen Dingen, an Kriminaldirekter Udo Nagel für seine unermüdliche Hilfe, an Michael Schwaiger und Erna Castro, die meine Fragen, ihre Berufe betreffend, mit freundlicher Langmut beantworteten, sowie an Toyin Adewale, deren Erzählungen und Gedichte aus Nigeria mich noch immer inspirieren und von der ich mir Obinna, den Geier, ausgeliehen habe.
    Spezielle Aussagen entnahm ich der rechtsradikalen Broschüre »Ausländer – Die wahren Fakten« von Bernhard Barkholdt.
    Handlungen und Personen dieses Romans sind frei
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