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German Angst

German Angst

Titel: German Angst
Autoren: Friedrich Ani
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sprechen. Er grinste nicht mehr. Er stand da und ließ sie nicht aus den Augen. Und während er in die Tasche seines braunen Sakkos griff und Natalia einen Schlüssel klirren hörte, radelten auf der Straße zwei Mädchen vorbei und eines klingelte und die Klingel schnarrte und das Mädchen rief hallo in Richtung Haus. Bevor Natalia sie überhaupt bemerkte, waren die beiden verschwunden und sie blickte an Rossi vorbei hinüber zum Nachbarhaus, in dessen Garten sattgrüne Sträucher wuchsen und rote Rosen blühten. In der Sekunde, in der ihr auffiel, dass sie sinnlos dastand anstatt längst im Haus zu sein und ihren Freund anzurufen, zögerte sie. Noch einmal diesen Mann anzusehen hätte sie als Beleidigung ihres Stolzes empfunden. Auch wenn sie sich immer noch nicht erklären konnte, weshalb ihr dieser braun gekleidete, nach nichts riechende, rotgeäderte Fremde, dessen Name ihr nicht mehr einfiel, Magenkrämpfe und einen Schwindel im Kopf verursachte, spürte sie, dass sie ihn schleunigst loswerden musste, bevor sein blankes Schweigen sie krank machte.
    Sie fröstelte, obwohl die Sonne schien. Ihre Knie fingen an zu zittern, ihre Hände waren kalt und sie vergrub sie in den Kitteltaschen. Sie hob den Kopf und streckte den Rücken.
    »Wiedersehen!«, sagte sie, streifte seinen Blick und drehte sich um. Jetzt brauchte sie nur noch die Tür zuzumachen und der Spuk war vorbei.
    »Überlegen Sie sich das noch mal!«, sagte Rossi. Ein weiteres Mal schaffte er es, sie zu irritieren. Die Hand auf der Klinke, blieb sie stehen.
    »Was?«
    »Sie sind eine ausgezeichnete Frau, Sie sind selbstständig, Sie haben eine Tochter, die zuverlässig und arbeitswillig ist…«
    Meine Tochter? Woher kennt er meine Tochter? Was will er von…
    »Es ist oft nicht leicht, solche Entscheidungen allein zu treffen, ich weiß Bescheid, ich war auch verheiratet, sieben Jahre, die berühmten sieben Jahre. Meine Frau hat die Ehe nicht ausgehalten, so etwas kann man vorher nicht wissen, verstehen Sie das? Man kann nicht in einen Menschen hineinschauen, man kann ihn nur anschauen. Oft genügt es, wenn man einen Menschen lange genug anschaut. Nicht wahr, Frau Horn?«
    Aus dem Flur wehte ihr ein Hauch Kiefernöl entgegen und sie atmete den Duft tief ein. Dahin musste sie, hinein in diesen Geruch, der sie umgab wie ein Mantel, wie ein unzerstörbares heilendes Kleid.
    »Verschwinden Sie!«, sagte sie, ohne sich umzudrehen, und machte wie jemand auf der Flucht einen Sprung über die blaue Fußmatte und knallte die Tür zu. Sie hätte abgesperrt, wenn der Schlüssel gesteckt hätte. Dass er nicht da war, versetzte sie sofort in Panik.
    Sie stürzte ins Wohnzimmer, suchte auf dem Tisch zwischen den Modemagazinen, dann in der Küche, wo die Schale mit dem halb gegessenen Müsli stand, und ihr fiel ein, dass dieser Mann ihr Frühstück unterbrochen hatte, weil er zehn Minuten zu früh gekommen war. Anschließend suchte sie im Flur, in jeder Jacke, jedem Sakko, das an der Garderobe hing, und warf ständig einen Blick zur Tür, als würde jeden Moment der Fremde hereinkommen und über sie herfallen. Das war unmöglich, denn von außen konnte man die Tür nicht öffnen. In einem Jutebeutel neben dem Telefon fand sie den Schlüssel. Hastig sperrte sie ab, atmete mit geschlossenen Augen mehrmals ein und aus und blickte dann durchs Guckloch. Und machte erschrocken einen Schritt zurück. Zwei Meter vom Haus entfernt stand immer noch dieser Mann. Mindestens fünf Minuten musste er nun schon an derselben Stelle stehen. Er bewegte sich nicht. Natalia legte die Hände an die Wangen und rieb sanft auf und ab. Tee, sie wollte einen Tee trinken, dann würde sie sich beruhigen, ganz bestimmt, frisch aufgebrühten Kamillentee. Schwitzend und zitternd stellte sie in der Küche den Wasserkessel auf den Herd, schüttete die getrockneten Blüten aus der Dose und wartete.
    Durch das kleine Fenster sah sie in den Garten. Der Anblick des mächtigen, unerschütterlichen Apfelbaums beruhigte sie ein wenig. Und als sie die Schale mit dem gelben dampfenden Tee zwischen den Händen hielt und den ersten Schluck trank, entspannte sie sich allmählich. Sie setzte sich an den Holztisch, streckte die Beine aus und genoss den Duft der Kamillenblüten.
    Doch die Worte des Mannes – Rossi! Jetzt fiel ihr sein Name wieder ein –, Rossis Worte steckten in ihrem Kopf wie Geschosse. Eine ausgezeichnete Frau… eine Tochter, die zuverlässig und arbeitswillig ist… weiße Blusen machen eine
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