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German Angst

German Angst

Titel: German Angst
Autoren: Friedrich Ani
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Frau fraulich…
    »Chris?« Mit dem schnurlosen Telefon ging Natalia im Wohnzimmer hin und her. »Wo bist du? Hast du was von Lucy gehört?«
    »Nein. Bitte hör auf, dich zu sorgen, sie ist morgen wieder da, du kennst sie doch…«
    »Wir müssen zur Polizei gehen.«
    »Die lachen uns wieder aus.«
    »Das werden sie sich nicht trauen. Ich hab Angst, Chris…«
    »Was ist denn?«
    »Nichts… Ich erzähls dir heut Abend.«
    »Erzähls mir gleich, wir machen grade Pause.«
    »Nein. Wo bist du?«
    »In Pasing, war ein Notfall, die Wasserleitung in der Küche ist hier gebrochen. Ist eine uralte Wohnung. Aber der Besitzer hat beschlossen, alles komplett sanieren zu lassen, die Küche, das Bad. Wir haben ihm einen Kostenvoranschlag gemacht und er hat gesagt, er denkt drüber nach. Könnte ein ziemlich guter Auftrag werden, und so unerwartet.«
    »Das ist toll.«
    »Bist du traurig, Netty?«
    »Ich bin… Glaubst du, Lucy ist weggelaufen, weil sie übermorgen Geburtstag hat? Sie ist ja schon mal einfach verschwunden, vor zwei Jahren, auch vor ihrem Geburtstag. Weil sie dachte, sie kriegt nichts geschenkt und dann hätten sie ihre Freunde alle ausgelacht.«
    »Ja. Aber heuer gehts uns ja viel besser als vor zwei Jahren. Ich hab ihr die Klamotten versprochen, die sie möchte. Und das Handy auch.«
    »Das Handy hättst du ihr nicht versprechen dürfen, das ist doch unsinnig in dem Alter.«
    »Ihre Freundinnen haben alle eins.«
    Auf dem antiken Schränkchen, das sie von ihrer Mutter geschenkt bekommen hatte, stand ein Farbfoto von Chris, seiner Tochter Lucy und ihr, sie sahen aus wie eine Familie, die einen fröhlichen Urlaub verbringt, mit Strohhüten auf dem Kopf und einem Eis in der Hand. Aber das Foto war an der Isar aufgenommen worden, am Flaucher in der Nähe des Tierparks, es war bisher das einzige Mal gewesen, dass sie gemeinsam ein paar Stunden verbracht hatten, zusammen verreist waren sie noch nie, wieso auch, dachte Natalia, wir sind keine Familie.
    »Ich muss Schluss machen, Netty.«
    »Wenn ich zur Polizei geh, musst du mitkommen.«
    »Glaub mir, sie ist bei ihren Freunden und…«
    »Sie ist seit vier Tagen weg! Und du kümmerst dich nicht um sie! Und wenn sie wieder irgendwo einbricht? Und wenn sie wieder in eine Schlägerei gerät? Und wenn sie wieder klaut und Leute überfällt?«
    »Sie hat versprochen, dass sie das nie wieder tut.«
    »Und du glaubst ihr?«, schrie sie und blieb mitten im Zimmer stehen. Die Sonne, die hereinschien, blendete sie, aber das war ihr gerade recht. Sie ging zum Fenster, schob die Gardine beiseite und machte das Fenster, das gekippt war, weit auf.
    Sie beugte sich vor, um den Kiesweg, der von der Haustür zum Bürgersteig führte, genau sehen zu können.
    Rossi war verschwunden.
    Die beiden Mädchen radelten wieder vorbei und die eine klingelte abermals schnarrend und rief hallo in Richtung Haus, mit derselben ruckartigen automatischen Kopfbewegung wie immer. Maja hieß sie und ihre Mutter kam regelmäßig zum Peeling zu Natalia.
    »Was ist denn mit dir?«, fragte Chris ruhig. Manchmal war es seine Ruhe, die Natalia kaum aushielt.
    »Deine Tochter ist unberechenbar«, sagte sie laut und die Sonne brannte ihr angenehm auf dem Gesicht. »Und sie schwänzt die Schule und dir ist das egal.«
    »Die Noten stehen doch schon lang fest und ihre Klassenlehrerin hat sich ausnahmsweise nicht beschwert…«
    »Natürlich nicht!«, unterbrach sie ihn heftig, drehte sich um und ließ sich den Rücken wärmen. »Weil die sich einen Dreck für deine Tochter interessiert! Die ist doch froh, wenn Lucy nicht da ist! Die sind doch alle froh, wenn sie mit diesem renitenten Kind nichts zu tun haben! Das juckt die doch nicht, was mit ihr ist, ob sie vor die Hunde geht oder im Gefängnis landet, das lässt doch diese Lehrer kalt!«
    »Bitte, Netty… Sie wird vierzehn, sie ist aufgekratzt, sie… Ich muss jetzt aufhören, der Wohnungsbesitzer kommt gerade. Wir unterhalten uns heut Abend, bei dir, einverstanden?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie und beendete das Gespräch. Sie hatte sich nicht streiten wollen. Sie hatte nicht schon wieder damit anfangen wollen, wie sehr sie sich um Lucy sorgte und darunter litt, dass man mit dem Mädchen nicht reden konnte und dass es dauernd verschwand und sich mit älteren Jungs herumtrieb und Dinge anstellte und sich in Gefahr brachte. Sie wollte Chris nicht mit ihrer Fürsorglichkeit und ihren Bedenken belasten. Ich wollt dich nicht anschreien, ehrlich, das wollt ich
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