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Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman
Autoren: Tamara McKinley
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sie das Land des zornigen Geistes nicht durchqueren würden, denn ihr Pfad führte nach Süden zum Herzen des Träumens und zu den heiligen Erhebungen von Uluru und Kata Tjuta.
    Schwelend heißen Tagen folgten eiskalte Nächte. Die Wanderung nach Süden hatte einen ganzen Mondzyklus gedauert, ehe Garnday die Möglichkeit fand, mit ihrem Sohn zu reden. Djanay war ihr aus dem Weg gegangen.
    Sie hatten das sengende Herz ihrer großen Insel erreicht. Hier war die Erde weicher; sie stieg wie Staub unter ihren Füßen auf, als sie sich langsam ihrem traditionellen Lagerplatz näherten. Ringsum lagen riesige Felsbrocken verstreut, rund und glatt wie Eier. Das war Karlwekarlwe, und die Steine waren Eier, die die Regenbogenschlange während der Traumzeit hier abgelegt hatte.
    Dies war ein heiliger Ort mit einer eigenen Aura, weshalb nur leise gesprochen wurde. Die Kinder drängten sich an ihre Mütter, denn zwischen den Eiern hausten böse Geister, die Menschengestalt annahmen und Kinder fortlockten. Verlorene Kinder sah man nie wieder, es sei denn, man stimmte besondere Lieder an – zuweilen funktionierten auch sie nicht, denn hatten die Geister ein Kind einmal mitgenommen, gaben sie es nur widerwillig wieder her.
    Garnday fiel mit ein, als die Frauen die Regenbogenschlange besangen. Die Medizinfrau rasselte mit ihrem Zauberkürbis, und die Männer klopften mit den Speeren auf die Schilde, um böse Geister zu verscheuchen. Am Ende wurde der Platz für sicher erklärt.
    Die Männer hatten unterwegs zwei Schlangen und eine große, dicke Eidechse gefangen, die ins Feuer geworfen wurden. Garnday machte sich auf die Suche nach den breiten, fleischigen Blättern der Pflanzen, die im Schatten der Schlangeneier wuchsen. Die Blätter enthielten Wasser und Saft, und wenn man sie zerdrückte, ergaben sie eine Heilsalbe gegen Insektenstiche, Schnitte und Schürfwunden. Sie hatte jedoch einen viel dringenderen Grund, die Feuerstelle zu verlassen, denn sie hatte Djanay in die Dunkelheit wandern sehen.
    »Wir müssen miteinander reden«, hob sie an.
    »Ich habe dir nichts zu sagen«, entgegnete er. »Lass mich in Ruhe!«
    »Ich habe Augen im Kopf«, fuhr sie ihn leise an, damit niemand sie hörte. »Ich weiß, was du mit Djuwe treibst.«
    Er wich ihrem Blick aus. »Gar nichts weißt du«, murmelte er.
    Sie packte sein Kinn und zwang ihn, sie anzusehen. »Ich weiß Bescheid«, sagte sie. »Und es muss aufhören. Sofort. Malangi beobachtet sie. Er wird euch beide umbringen.«
    Er schaute auf sie herab. »Kümmere dich um deine Kinder, Mutter! Ich bin jetzt ein Mann.«
    Er wollte sich schon abwenden, doch sie hielt ihn am Arm fest. »Als Mann kennst du die Strafen für den Bruch des heiligen mardayin . Djuwe bringt nichts als Ärger.«
    Sie wusste nicht, was in Djanays Kopf vorging. Er riss sich von ihr los und war mit zwei Schritten in der Dunkelheit verschwunden.
    Garndays Unterlippe zitterte, sie spürte, wie ihr die Tränen kamen. Wütend wischte sie sich über die Augen, sammelte die kostbaren Blätter ein und schaute zur Feuerstelle zurück. Sie hatte ihren Sohn verloren. »Was soll ich nur machen?«, stöhnte sie. Sie schloss die Augen und bat die Regenbogenschlange um Hilfe, obwohl sie tief in ihrem Herzen wusste, dass selbst dieser Große Geist weder die Lust ihres Sohnes noch die Tücken eines wollüstigen Mädchens zu bekämpfen vermochte.
    Sobald das Abendessen vorbei und die rituelle Geschichte zu Ende erzählt war, bettete Garnday ihre Kinder dicht an ihren Mann. Das Herz war ihr schwer, und sie wusste, sie würde trotz ihrer Schwäche in dieser Nacht kaum ein Auge zutun. Djuwe lag wieder am Rand ihrer Familiengruppe, und Djanays Erregung war beinahe mit Händen zu greifen. Garnday zog das Kängurufell über ihre schlafenden Kinder und forderte die dalkans auf, ihnen Wärme zu spenden. Zufrieden, sie in Sicherheit zu wissen, huschte sie in die Dunkelheit.
    Der Frühlingsmond hatte fast ein Drittel seines nächtlichen Wegs zurückgelegt, als Djuwe sich aufsetzte und das Tierfell ablegte.
    Garnday spannte sich an, ihr Blick flog zu Djanay. Er gab vor zu schlafen, doch sie sah den Schimmer des verlöschenden Lagerfeuers in seinen wachsamen Augen.
    Kurz schaute Djuwe auf ihren schlafenden Mann, streckte sich, gähnte und schälte sich behutsam aus der Gruppe. Vorsichtig kroch sie ins Buschwerk.
    Garnday erstarrte.
    Malangi richtete sich auf und beobachtete seine Frau.
    Mit klopfendem Herzen schaute Garnday zu Djanay hinüber. Er
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