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Ich bin Jens

Ich bin Jens

Titel: Ich bin Jens
Autoren: Wolfgang Marten
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Den Verdacht hatte ich ja schon lange, dass der Schwule an sich doch nicht so „normal“ ist, wie er und seinesgleichen sich sehen. Klar, es ist schnell daher gesagt, dass es eigentlich keinen Unterschied gibt zwischen Hetero und Homo, außer dass die einen eben zwei unterschiedliche Geschlechter für alles, was mit Liebe und Erotik zu tun hat, brauchen – und die anderen das alles „unter sich“ ausmachen. Aber sonst: der gleiche Alltag, die gleichen Probleme, die gleichen Krisen, die gleichen schönen Gemeinsamkeiten – Beziehung ist Beziehung, egal ob nun ein oder zwei Männer daran beteiligt sind.
     
    Weit gefehlt: Schwule ticken doch anders!
     
    Es gibt da die berühmten „Blauen Seiten“ – die Kontaktforen Gayromeo und Gayroyal , in denen sich im Internet alles tummelt, was auch nur annähernd männlich ist und selbiges sucht. Es gibt immer wieder Belege dafür, welche Leiden man als Nutzer jener Plattformen zuweilen durchstehen muss und dass man selten wirklich Menschen antrifft, die Herr ihrer Sinne sind und nicht besser gleich in die Klapse sollten.
     
    Aber man gibt die Hoffnung, die schließlich bekanntermaßen auch erst zum Schluss stirbt, nicht auf und wartet auf den Tag, an dem ER eine Nachricht schickt – ER , der Mann, der, ohne dass man daran Zweifel haben müsste, von Beginn an den Eindruck macht, dass er es ernst meint und mit dem gegenseitige Übereinstimmung darüber herrscht: In Zukunft gibt es nicht mehr dich und mich, sondern nur noch uns .
     
    Und so einer schrieb mich Mitte Juli an …
     
    Es schien der Tag zu sein, der alles verändern sollte.
     
    „Ich bin Jens.“
    So fing seine erste Chatnachricht bei Gayroyal an.
     
    Für diejenigen, die sich diese blaue Seite nicht angeschaut haben (und das auch nicht vorhaben, was für manch‘ zarte Seele vielleicht auch besser ist, denn manch einen haut ja schon ein nackter Hintern vom Hocker – um nicht zu sprechen von diversen deftigen Ausdrücken, die dort verwendet werden…): Jeder, der dort einen Partner für was auch immer finden möchte, der legt sich ein sogenanntes Profil an, in dem er alles über sich erzählen kann, von dem er meint, es würde ihn ans Ziel führen. Auch besteht die Möglichkeit, dort Fotos von sich hochzuladen … die dann – je nach Freizügigkeit – für alle oder nur für Ausgewählte  sichtbar sind. Bei Jens konnte ich alles sehen…
     
    Was mir in vielen anderen Fällen sogar recht gewesen wäre, denn manchmal sucht man auch schon mal nicht die große Liebe, sondern nur ein bisschen Spaß – und da sieht man die nackten Tatsachen im Vorfeld schon mal ganz gerne, kauft man so schließlich nicht die Katze im Sack und kann manchen Kontaktversuch schon im Ansatz abwürgen, weil man beispielsweise nicht gern mit einem 185kg-Mann in die Federn hüpfen möchte.
     
    Im Fall von Jens aber fand ich es unpassend, gleich jedes körperliche Detail von ihm kennenzulernen, denn unser Kontakt war von Beginn an erst einmal alles andere als nur auf die sexuelle Schiene ausgerichtet. Aber gut, die Bilder zeigten nun mal Bauch, Beine, Po und mehr unbedeckt – da musste ich durch. Und es war auch nicht wirklich schlimm, denn alles was Jens da so darbot, das war schon… joah: Nett.
     
    Aber das was er schrieb, das passte halt nicht dazu. Da ging es nicht um Sex, da ging es um Hobbies, um den Job, um alles eben, über das man auch bei einem ersten Kennenlernen im realen Leben reden würde. Und genau das machte den Chat so anders.
    Ich hatte von Beginn an das Gefühl: Da ist einer, dem geht’s wie dir! Der hat genauso wie du genug Kreide gefressen und hat sich zielsicher einen Psychopathen nach dem anderen aus der blauen Menge raus gepickt, bis er auf mein Profil stieß. Es war quasi Seelenverwandtschaft vom ersten Moment an – ein gutes Zeichen also!
    Und als Sahnehäubchen oben drauf stimmten auch noch die äußeren Details: Mit 30 war er genau in der von mir bevorzugten Altersgruppe, er sah gut aus mit seinen mittelblonden, leicht lockigen Haaren, seinen blauen Augen und dem anscheinend stets vorhandenen Drei-Tage-Bart – vielleicht war er nicht der Traummann, weil er mit ein paar Kilo zu viel auf den Rippen ein wenig von einem Adonis entfernt blieb,  aber: Er kam ihm schon verdammt nahe.
     
    Und so locker und entspannt vergingen dann die ersten Tage unseres Chat-Kontakts. Jens hatte bereits am ersten Tag geschrieben, dass er es gerne so halten würde: Wenn man nach 14 Tagen immer noch interessiert
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