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Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman
Autoren: Tamara McKinley
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Prolog
    M
orgennebel
    Kakadu, vor 50000 Jahren
    S
ie hieß Djuwe, war dreizehn Jahre alt und eine Schönheit. Djanay beobachtete, wie sie mit den anderen jungen Frauen lachte. Sein Blick folgte der köstlichen Rundung ihres Rückens und dem verlockenden Hüftschwung, als sie sich mit wiegenden Schritten von ihm entfernte, den geflochtenen Korb aufreizend in die Seite gestemmt. Er begehrte sie, seit er ihr zum ersten Mal begegnet war.
    Als spüre Djuwe seine forschenden Blicke, schaute sie ihn über die Schulter hinweg mit neckischer Direktheit an. Ihre Augen blitzten und ein Lächeln huschte über ihre Lippen, bevor sie sich umdrehte und im lichtgetüpfelten Schatten zwischen den Bäumen verschwand.
    Djanay rollte sich im hohen Gras auf den Rücken und unterdrückte ein Stöhnen. Sie war unerreichbar für ihn, denn diese Verbindung würde gegen das heilige Gesetz verstoßen, ihr mardayin . Dieses Gesetz zu brechen würde Verbannung, ja sogar den Tod bedeuten. Warum verhöhnte sie ihn? Er schloss die Augen. Weil sie Macht über ihn besaß, sagte er sich, und nicht davor zurückschreckte, sie zu gebrauchen.
    »Steh auf, du fauler Kerl!«
    Ein fester Tritt in die Rippen riss ihn aus seinen Gedanken. Wütend schaute er zu seinem Halbbruder auf. »Ich bin nicht faul«, entgegnete er und rappelte sich hastig auf.
    Malangi war fast zwanzig Jahre älter als er, in seinem Haar blitzte erstes Grau auf. Die Narben der Initiation hatten sich tief in seinen geschmeidigen Körper gegraben. Er war ein erfahrener Jäger und geachtet unter den Ältesten, so dass man ihm lieber nicht in die Quere kam.
    »Du schläfst in der Sonne wie die alten Frauen«, fuhr Malangi ihn an. »Bevor wir aufbrechen, müssen wir auf die Jagd gehen.«
    Djanay nickte und wich dem forschenden Blick aus, denn Malangi hatte ihm bestimmt angesehen, dass er die junge Frau des Bruders begehrte. Innerlich aufgewühlt machte er sich davon. Der Blick des Bruders bohrte sich ihm wie ein gut gezielter Speer in den nackten Rücken.
    Die Sonne stand hoch, die Bäume ringsum warfen dunkle Schatten auf die Lagune. Djanay wandte sich dem Busch und den steilen roten Klippen über dem sich schlängelnden Fluss zu. Er begann zu klettern; mit dem Schweiß verfloss die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren. Er war ein typischer Vertreter seines Clans: groß und schlank, mit dunkler, von den Stammeszeichen geprägter Haut. Bis auf einen dünnen Bastgürtel und eine Kette aus Känguruzähnen war er nackt. Seine Augen glänzten bernsteinfarben, sein Haar stand als Gewirr aus schwarzen Locken nach allen Seiten ab. Er hatte eine breite Nase, die mit einem Vogelknochen durchbohrt war; die Lippen wölbten sich in jugendlicher Fülle über dem ersten Bartflaum. Mit vierzehn war er gerade zum Mann geweiht worden; nun wurde von ihm erwartet, dass er sich als Jäger denselben Respekt verdiente wie sein Vater und sein Bruder.
    Er erreichte den glatten, flachen Fels, der aus den Klippen herausragte und eine herrliche Sicht auf die ausgedehnten Wälder, die hohen Berge und, tief unten, auf das glitzernde Wasser freigab.
    Das war das Land, das die Geister der Urahnen in die Obhut seines Clans gegeben hatten. Es war heiliges Land, und in jedem Stein und Fels, in jeder Flusswindung und im Flüstern des Windes lebten Überreste der Schöpfungsgeister. Wie alle Clanmitglieder würde auch Djanay ein Wächter dieses Landes sein, bis seine Knochen zu Staub zerfielen. Mutter Erde nährte, tröstete und lehrte sie; es war wichtig, dass er lernte, im Einklang mit den Jahreszeiten zu leben, mit dem Kommen und Gehen der Geschöpfe, die ihn begleiteten – denn eines hing vom anderen ab, und die Spiritualität musste um jeden Preis gewahrt werden.
    Das Volk der Kunwinjku war hierher gekommen, als die Geister von Djanays Urahnen in der Traumzeit lebten – in einer Zeit vor Menschengedenken, einer Zeit, als die Geister sich zeigten und den Clan in sein gelobtes Land führten. Sie wurden geleitet von Bininuwuy, dem großen Ältesten, der längst verstorben war und mit den Geistern im Himmel lebte, doch lebte ihre Reise in den Erzählungen der Ältesten und in den Bildern an den Wänden der Höhle hinter ihm weiter.
    Hoch oben in den Klippen war alles ruhig und still. Djanay meinte die Last der Erwartungen seiner Urahnen zu spüren, während er dort stand und seine Muskeln spielen ließ. Es war eine schwere Bürde, sich an die Gesetze zu halten, wenn er sich mit jeder Faser nach Djuwe sehnte. Er dachte an das
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