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Traeume ernten

Traeume ernten

Titel: Traeume ernten
Autoren: Lidewij van Wilgen
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zurückhaltend.
    Das Haus wurde lange nicht geheizt, und jetzt ist es feucht hier, der riesige Herd in der Küche verbreitet den sauren Geruch eines vor allzu langer Zeit gelöschten Feuers. Es ist eine andere Welt. Abends essen wir vor dem großen, offenen Kamin, wir unternehmen lange Wanderungen durch die feuchten Felder, genießen die Weite und die Leere um uns herum. Nach nur zwei Tagen ist die Hektik der Stadt von uns abgefallen.
    Â»Ist das nicht genau das, wonach wir auch suchen?«, fragt Aad, als wir am Sonntagabend wieder auf unserem Sofa in Haarlem sitzen, »einfach so, ein zweites Haus, um ab und zu aus der Stadt herauszukommen?« Ich schaue ihn an, sehe, wie Farbe auf seine Wangen zurückkehrt, und schmiege mich an ihn.
    Â»Ich denke, das ist ein ziemlich guter Plan«, sage ich.
    Nicht zu weit entfernt von den Niederlanden und an der Küste. Ein paar Wochen später machen wir eine Studienreise durch die Normandie. Ein begeisterter englischer Makler, der glaubt, dass unser Findungsprozess schon weiter fortgeschritten ist, als es tatsächlich der Fall ist, schleppt uns effizient durch die Region. Er führt uns von quasi-rustikalen Häusern mit Balken in Holzimitation zu vollkommen verfallenen Scheunen, die er mit den Worten anpreist, dass sie »voller Möglichkeiten« steckten. Aad erhöht den Richtpreis auf einen inzwischen mehr als ambitionierten Betrag. Ich trete ihm gegen das Bein, schaue ihn fragend an. Aber der Makler hat schon zufrieden sein Gaspedal durchgetreten und nimmt den Fuß erst wieder herunter, als er über den Kies schlitternd vor einem großen grünen Gittertor zum Stehen kommt. Eine kleine Auffahrt führt zu einem riesigen, weißen Landhaus aus dem 18. Jahrhundert mit einer Parkanlage voll blühender Rhododendren. All das ist so riesig, dass der Preis schon fast wieder angemessen ist.
    Erwartungsvoll schaue ich dem Makler über die Schulter, als er die Tür öffnet … Leere! Wir stehen vor einer einzigen großen Fläche aus glänzend rosa Fliesen, keine Kamine, keine Ornamente an der Decke. Auf der oberen Etage sind die Zimmer nur ausgestattet mit billigen Einbauwaschtischen und Schränken aus Pressspan. »Sehr leicht zu reinigen!«, versucht der Makler es kurz, aber er hat bereits verstanden. Ohne weiteren Kommentar fährt er uns zur Küste. Vom Küstenort Houlgate aus führt ein langer Weg ins Hinterland, von dem der Makler abbiegt. Wir fahren jetzt durch dichten Pappelwald, der sich mit Feldern und hohem glänzenden Gras abwechselt. Das Auto schreckt eine Gruppe wilder Gänse auf, die erst hoch oben in der Luft wieder zueinanderfinden.
    Le Héroussard , wie das Anwesen heißt, ist einer dieser wenigen Plätze auf der Welt, an denen sich alles richtig anfühlt, die Lage auf dem sanft abfallenden grünen Hügel, die Aussicht. Man blickt hier weit hinaus bis zum glänzenden Band des Meeres, das Haus selbst ist einnehmend in seinem verfallenen Stolz. Während Aad mit dem Makler spricht, steige ich auf der breiten Treppe aus dunklem Holz nach oben. Ich gehe durch die Zimmer mit dem polierten Parkett und den mit Toile-de-Jouy-Tapeten bespannten Wänden und streiche über den weichen Marmor eines verzierten offenen Kamins. Als ich von einer der Terrassen aus über das Land schaue, bin ich mir sicher – hier möchte ich bleiben.
    Auf dem Weg zurück, im Auto, stellen uns Aad und ich immer und immer wieder dieselbe Frage. Angenommen, wir würden Le Héroussard kaufen, womit würden wir dann Geld verdienen? Zum Anwesen gehören zwei Hektar Pappelwald und ein paar Weiden, die man verpachten könnte. Aber ansonsten? »Wir könnten Projekte annehmen, von Frankreich aus arbeiten«, sage ich. Aad schüttelt den Kopf: »Du vielleicht. Ich arbeite mit einem Artdirector zusammen, ich kann nicht weg. Ich leite eine Abteilung, Kunden wollen mich sehen …«
    Â»Wir könnten an Touristen vermieten, als Herberge.« Automatisch sehe ich es vor mir: Was bleibt von der stillen Schönheit übrig, wenn Familien auf dem Rasen Badminton spielen?
    Â»Weißt du, wie oft es in der Normandie regnet?«, fragt Rex, als wir ihm von unserem Plan erzählen. Er breitet so viele Wetterkarten auf dem Tisch aus, dass wir schließlich seufzend zustimmen. Die Normandie ist es also nicht und ein Haus ohne Einkommensquelle auch nicht.
    Und so gehen wir wieder unseren
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