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Traeume ernten

Traeume ernten

Titel: Traeume ernten
Autoren: Lidewij van Wilgen
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schließe Freundschaft mit einigen der Frauen. Sie sind sehr nett, aber es ist unglaublich, wie sehr wir uns alle gleichen. Wir haben alle eine gute Ausbildung, einen irgendwie kreativen Beruf, drei Kinder und einen Volvo vor der Tür. Wir haben alle große Häuser voll »origineller Details«, die gleichen Holzböden und die gleichen großen Tische. Es scheint eine direkte Verkehrsanbindung zum Ausstattungshaus »Pols Potten« in Amsterdam zu geben, von wo aus Lieferwagen voller neuer Möbel unser Viertel anfahren. Niemand hat Lust, in der eigenen Wohnung ständig dieselben Sachen anzugucken, und ich merke, dass das Gefühl ansteckend ist. So eine Lampe hätte ich auch gerne. Was für langweilige Teller habe ich da eigentlich? Und noch bevor es mir bewusst ist, sitze auch ich schon wieder im Auto auf dem Weg ins Möbelhaus.
    Es wird Cappuccino und Rosé getrunken und über die neuesten Anschaffungen geredet, die Arbeit, die Kinder, Freunde und Ferien – alles ist möglich, alles läuft prima.
    Keine zwei Jahre später, auf dem Weingut, würde ich einen Mord begehen, um auch nur eine dieser Frauen in meiner Nähe zu haben. Im Moment, in Haarlem, gibt es nur einen Gedanken, der mich nicht mehr loslässt: Ich gestalte mein Leben nicht mehr selbst, es ist nichts als eine Kopie all der Leben um mich herum.
    Wenn ich in die Zukunft blicke, sehe ich einen geraden Weg vor mir, auf dem alles voraussagbar ist: Die Kinder gehen ins Städtische Gymnasium und spielen Hockey. Und wenn ich ein wenig älter bin, treffe ich mich mit den anderen Müttern zum Tennisspielen. Es fühlt sich an wie ein Urlaub im Club Med – ein fester Rahmen, in dem man die gleichen vorfabrizierten, schönen Dinge tut wie all die Menschen um einen herum, wie jeder, der vor oder nach einem kommt. Wunderbar, aber nach zwei Wochen kann man es nicht mehr ertragen.
    Im Büro lese ich zum vierten Mal den Auftrag durch, der vor mir liegt. Okay, Kunde X hat wieder ein neues Frühstücksprodukt entwickelt. Ich stelle mir den Supermarkt vor, das überquellende Regalfach, in das wir das jetzt auch noch stopfen müssen. Noch mehr Auswahl, noch mehr Verpackungen, noch mehr Abfall. Immer deutlicher sehe ich, worum sich mein Beruf im Kern eigentlich dreht: Es geht darum, Menschen unzufrieden zu machen. Man hat schon einen Fernseher, einen Toaster, eine Lieblingsmarmelade, aber jetzt gibt es außerdem noch X!, Y!, Z! Schmeiß weg, was du hast, entscheide dich für etwas Neues – alle Werbung ist Öl ins Feuer der Konsumgesellschaft.
    Ich fange an, ein Konzept für das Frühstücksprodukt zu schreiben. Wie viele Strategien gibt es? Zehn? Zwölf? Ich kenne sie alle, schüttele sie aus dem Ärmel. Ein Kompliment am Ende einer Präsentation gibt mir kaum noch etwas, schließlich musste ich mich nicht dafür anstrengen.
    Aad hat seine eigenen Sorgen. Seit er die kreative Leitung des Amsterdamer Büros einer großen internationalen Werbeagentur übernommen hat, kann er vor lauter Problemen nicht mehr aus den Augen gucken. Die Kunden machen Ärger, es gibt Reibungen mit dem Mutterhaus und etliche interne Konflikte, die ihm das Leben schwer machen. Er ist oft krank und müde, was mir angesichts der Umstände normal erscheint. Es ist schön, abends, wenn die Kinder im Bett sind, zusammen auf dem Sofa zu sitzen und unverbindliche Gespräche wie dieses zu führen:
    Â»Und wenn wir einfach mal was ganz anderes machen würden?«
    Â»Was denn?«
    Â»Ich weiß nicht, ins Ausland gehen oder so, irgendwohin, wo es viel Platz gibt, Natur, gutes Wetter.«
    Es ist schön, den Ball unverbindlich hin und her zu werfen. Ich beobachte, wie Freunde das Gleiche tun – ein lustiger Zeitvertreib für verwöhnte junge Menschen.
    Einer von Aads Kollegen, Jan, lädt uns in sein Haus in Nord-Frankreich ein, in das er am Wochenende ab und zu fährt. Es ist erstaunlich, bereits kurz hinter der Grenze ist alles anders: leicht abfallende Weiden mit grasenden Kühen, kleine Dörfer aus Natursteinhäusern, wir ganz alleine auf dem verlassenen Weg. Jan ruft die Nachbarin an, die den Schlüssel für ihn aufbewahrt, ein französisches Mütterchen wie aus einem Film. Es nimmt sich in seiner geblümten Kittelschürze klein und zerbrechlich zwischen diesen großen, kräftigen Holländern aus, die hier einfallen. Die Nachbarin lächelt
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