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Traeume ernten

Traeume ernten

Titel: Traeume ernten
Autoren: Lidewij van Wilgen
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zuvor.
    Â»Das ist also unser Vorschlag«, sagt der Journalist. Sein Partner legt einen Packen Papier vor mich auf den Tisch, in dem bereits genau angegeben ist, wo ich unterschreiben muss. Sie wollen einen bestimmten Betrag in das Weingut investieren und als Gegenleistung Anteile am Gut. Während sie gemeinsam auf mich einreden – ohne sie wird das natürlich nie was hier –, mache ich mich kurz schlau – sie würden knapp die Mehrheit der Anteile halten.
    Â»Darüber muss ich erst noch nachdenken«, sage ich.
    Der Journalist ist verärgert, in aller Ruhe warte ich auf einen Wutanfall, der heftig genug ist, um die Beziehung zu beenden. Und ich muss gar nicht lange warten.
    Alles wirkt leichter, jetzt, da er weg ist. Das Weingut gehört wieder mir, meine Kunden gehören mir, jetzt, da der Grauschleier sich gelichtet hat, sehe ich wieder, wie gut es hier läuft.
    Nach der Schule gehe ich mit Marijn durch die Felder. Sie läuft entschlossen voraus, befreit den Draht an den Pfählen aus seinen Halterungen, zieht ihn dann mit einer ausholenden Bewegung zu sich heran, sodass die Triebe des Weins dazwischenliegen. Dabei spricht sie über Paul, den katholischsten Jungen in ihrer Klasse. »Unglaublich«, sagt sie, »ich will so ein winziges Handballtor hochheben, da kommt er auch schon angerannt. ›Das darfst du nicht heben. Du bist ein Mädchen.‹ ›Na und‹, sage ich, ›was soll das heißen?‹ Aber er lässt nicht locker, sagt so was wie: ›Ja, das nennt man Galanterie.‹ Kommt ein Ball angeflogen, ich will ihn fangen, nimmt er ihn mir weg. Ist das auch Galanterie? Die arme Frau, die ihn später mal heiratet. Er weiß jetzt schon, dass er mindestens sechs Kinder haben will. Und die Frau darf dann in der Küche stehen und leckeres Gebäck für ihn zaubern. Mein Gott, wie traurig.«
    Wir beenden die letzte Reihe, gehen dann über die kleine Brücke den Hügel hinauf. Marijn läuft flott voraus. Am Fuße des Olivenhains blicke ich über den Weingarten, der vor uns liegt, betrachte die Glut, die die Abendsonne auf die Felsen dahinter zaubert. »Findest du das auch noch so schön, oder ist es für dich einfach normal – du bist schließlich hier aufgewachsen?«
    Â»Ich sehe es noch immer«, sagt Marijn. Wir laufen den Graben beim alten Carignan entlang. »Erinnerst du dich noch an meine Feier, als ich klein war?«, fragt sie, »als wir hier den Staffellauf gemacht haben?« Sie lacht bei der Erinnerung. »Ich bin so froh, dass wir hier wohnen«, sagt sie dann. Ich umarme sie, wir gehen Arm in Arm weiter.
    Nach dem Mittagessen machen wir die große Runde – die warme Hand von Laartje liegt in meiner. Wie von selbst kommen wir an das Haus des großen Mannes. Es steht jetzt leer, die Holztür klappert im Wind. »Erinnerst du dich noch, wie er dir mit einem tiefgefrorenen Huhn im Supermarkt hinterherrannte?«, fragt Marijn. »Und dass er uns ein Ferkel für 1000 Euro verkaufen wollte?«, fragt Fiene. Ich nicke.
    Langsam gehen sie zu der Stelle, wo er sich im Fluss wusch – sie ist noch immer von halbverfallenen Paletten und Stücken grüner Baufolie umgeben. Hoch im Baum hängt ein zerfasertes Seil, etwas tiefer steckt ein verrostetes Messer im Stamm. »Ich frage mich, wo er jetzt ist«, sagt Marijn.
    Letztes Jahr hat er sich ein Pferd gekauft und ist auf der Pilgerstraße nach Santiago de Compostela gezogen. Seitdem gibt es allerlei Gerüchte – er soll Skulpturen auf dem Friedhof geklaut, in einer Bar einen Kampf angezettelt haben, im Gefängnis sitzen. Das Grundstück gehört immer noch ihm, dennoch ist er nur jemand auf der Durchreise gewesen. Inzwischen ist er weitergezogen, während ich längst hierhergehöre.
    Der Frühling wird immer wärmer. Heute habe ich noch eine Weste anziehen müssen, als ich die Mädchen in die Schule gebracht habe, jetzt laufe ich in einem dünnen Hemd zum Weinkeller. Ich blicke über das Weinfeld, das sich vor mir erstreckt, das sanfte Grün verströmt Frische und steckt voller Versprechungen. Ich freue mich jetzt schon auf den Sommer. Mittags ist es so heiß, dass man im Schatten bleiben muss, aber die lauen Abende kann man auf der Terrasse verbringen.
    In einer Stunde kommt Xavier Billet vorbei, um den Weinkeller zu kontrollieren. Ich gehe zum Küchenblock, stelle 19 Fläschchen auf die
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