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Traeume ernten

Traeume ernten

Titel: Traeume ernten
Autoren: Lidewij van Wilgen
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an den ich damals einige Flaschen zum Probieren geschickt hatte, ist mit seinem Geschäft »Vintage ’59« inzwischen einer meiner größten Kunden. Er hat die Weine vom alten Kellermeister von »Opus One« prüfen lassen, der beeindruckt war – wir mailen eine Zeit lang über Techniken der Weinherstellung. »Vielleicht kannst du den Wein noch weiter verfeinern, wenn du ihm etwas mehr Ruhe gönnst«, meint Roy, »weniger pigeages , ein paar delestages vielleicht.« Ich bespreche das mit Xavier Billet, der es für eine gute Idee hält. Wein herstellen ist also noch immer nicht langweilig.
    Â» Patronne , das ist Jean-François.« Bruno steht unten an der Leiter, neben ihm ein kleiner Mann mit den schwarzen Haaren und der dunklen Haut der Dorfbewohner, der unsicher zu mir heraufschaut. Bisher hatte er seine eigenen Weinfelder und lieferte die Trauben an die Kooperative. Jetzt ist er auf der Suche nach einer Festanstellung. Ich klettere die Leiter hinunter und betrachte ihn – er sieht aus wie ein ehrlicher, harter Arbeiter, ein bescheidener und realistischer Mensch. Es beruhigt mich, dass er schon etwas älter ist, ein wenig schüchtern und absolut nicht an mir interessiert. Ohne lange nachzudenken, gebe ich ihm einen Probevertrag.

22
    Â»Hast du den ›Wine Spectator‹ schon gesehen?« Ich habe Aad am Telefon, und er spricht über die größte Weinzeitschrift der Welt, ein Freund hat ihm die letzte Ausgabe gegeben.
    Â»Du stehst drin.« Er lacht. »Und wie! Du hast die höchste Bewertung für das ganze Languedoc bekommen!« Ich lache nur, das kann ich mir kaum vorstellen bei dem vielen Wein, der hier hergestellt wird. Und woher sollten die mich überhaupt kennen?
    Am selben Abend erhalte ich die Antwort auf meine Fragen, Roy, mein Kontakt in Amerika, hat mir eine Mail geschrieben.
    Â»Hey Lee, how about this ?!«, kommentiert er den Artikel, den er mitgeschickt hat. Er war es also, der die Weine eingesandt hat! Ich überfliege den Beitrag, und es ist wahr, ganz oben steht Mas des Dames . Ich ringe nach Luft, sehe die Punktzahl 91 von 100, damit liege ich weit über einer ganzen Reihe Weine, die viel bekannter und teurer sind. Ich kann es kaum glauben.
    Das Telefon klingelt noch einmal, diesmal ist es Xavier van Okhuysen. Er freut sich genauso wie ich.
    Dann geht alles ganz schnell. Alle, die sonst immer sagen, dass sie sich nicht von Rankings beeinflussen lassen, probieren den Wein jetzt ganz anders. Auf einmal wollen alle ihn haben. Zusammen mit Fiene und Marijn packe ich ganze Paletten von La Dame aus, um die Flaschen mit neuen amerikanischen Rücketiketten zu versehen – und wir werden langsam immer besser.
    Ich werde nach San Francisco eingeladen. Die junge Frau, die Roy an der Westküste vertritt, holt mich mit einem hellblauen Cabriolet ab, und so fahren wir mit wehenden Haaren über die Golden Gate Bridge. Dieser Moment symbolisiert nichts und alles: meine Rückkehr in die bewohnte Welt.
    Die Frau nimmt mich mit in ein großes, modernes Restaurant im Zentrum. An einem runden Tisch in der Mitte sitzen ein paar junge Männer und essen. Ein Ober geht zu ihnen, hebt eine Flasche Wein hoch, um nachzuschenken. Ich beuge mich vor, um sicherzugehen: Es ist tatsächlich La Dame . Ich erinnere mich, wie ich damals selber an der Abfüllmaschine gestanden habe, um ihn auf Flaschen zu ziehen, meine Fingerabdrücke sind sicher noch irgendwo zu finden. Die Flaschen wurden abgeholt, gut auf dem Fahrzeug festgezurrt, haben den Ozean überquert und sind durch ganz Amerika gereist. Jetzt stehen sie hier. Es fühlt sich großartig an.
    Heute befinde ich mich in einer weniger glamourösen Umgebung. Mit einer wackligen Karre voller Flaschen und einem komplizierten Grundriss in der Hand bin ich unterwegs, um meinen Stand auf der Weinmesse »Vinisud« zu suchen. Ich gehe durch große Räume mit hohen Decken, sehe die schönen, aufwändig gestalteten Stände der Côte du Rhône, vom Minervois – laufe dann durch den Regen nach draußen, um in einer schlecht beleuchteten Halle zu landen, in der bunt gemischt die Vertreter der verschiedensten Appellationen und Anbieter stehen.
    Nach langem Suchen finde ich ganz hinten ein Grüppchen aus dem Weinbaugebiet Coteaux du Languedoc, und da, gegenüber von einem sonderbaren Händler, der ein großes Schild mit der Aufschrift »Vins de Merde«
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