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Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung

Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung

Titel: Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung
Autoren: V Panov
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PROLOG
    »Warum bist du so aufgeregt?«, fragte der Junge ohne Umschweife.
    Doch die Frau ließ sich nicht aus der Reserve locken. »Ich?«, entgegnete sie kühl und zog verwundert die schmale, schwarze Braue hoch.
    »Aber ich spüre es«, beharrte der Junge. »Deine Aura verrät mir, dass du sehr beunruhigt bist.«
    Die Frau deutete ein Lächeln an, jedoch so vage, dass der Junge es in ihrem hübschen, feinzügigen Gesicht nur erahnen konnte.
    »In dir schlummern gewaltige Kräfte, Lubomir. Vor dir kann man nichts verbergen. Als zukünftigem Regenten des Herrscherhauses wird dir dies zugutekommen. Wo ist meine Schatulle?«
    Das goldene Kästchen, in dem die Frau ihren Lieblingsschmuck aufbewahrte, lag auf einem kleinen Tisch direkt neben dem Lehnstuhl, in dem sie saß. Sie hätte nur die Hand danach auszustrecken brauchen. Dienstfertig kam er ihr zuvor, nahm die Schatulle und klappte den Deckel auf.
    Der Jüngling mochte dreizehn Jahre alt sein. Er hatte weißblonde Haare, ein hässliches Gesicht und nach den Maßstäben des Grünen Hofs eine geradezu grotesk
schmächtige Statur. Lubomirs Äußeres war also wenig einnehmend – wären da nicht seine Augen gewesen. Niemand konnte sich dem hypnotischen Blick dieser riesigen, hellgrünen Augen entziehen. In ihnen spiegelte sich jene außergewöhnliche Kraft, die seinem Herzen innewohnte: die Kraft einer ungezähmten, archaischen Magie, um die ihn jeder Zauberer der Verborgenen Stadt beneidet hätte.
    »Sei so gut und halte mir die Schatulle.«
    Diesmal schenkte die Frau dem Jungen ein richtiges Lächeln. Ihre vollen, scharf umrissenen Lippen öffneten sich und entblößten makellose, weiße Zähne. Auf ihren Wangen erschienen neckische Grübchen, und in ihren hellgrünen Augen blitzte für einen Augenblick ein blendendes, irres Feuer auf. Lubomir durchfuhr eine Hitzewelle.
    Das Lächeln der Frau wirkte wie eine Droge: Er vergaß alles um sich herum und verspürte nur den einen, sehnlichen Wunsch, dass dieses betörende Feuer aufs Neue in ihren Augen entflammen möge. Er machte einen winzigen, kaum merklichen Schritt nach vorn und hielt ihr die Schatulle hin. Nun trennten ihn nur noch fünf oder sechs Zoll von ihr.
    »Für diesen Anlass sollte ich etwas Dezentes aussuchen«, sagte die Frau nachdenklich, während sie ihre wertvolle Kollektion betrachtete.
    Lubomirs Blick schweifte über ihre braungebrannten Schultern, den schlanken Hals und das lange, strohblonde Haar, das zu einer kunstvollen Frisur geflochten war. Unwillkürlich beugte er sich ein wenig vor und erhaschte
einen Hauch des feinen Jasmindufts, den ihr Haar verströmte.
    »Ist er nicht wunderschön?«, fragte sie und streichelte über den Ring, den sie sich soeben angesteckt hatte.
    »Hinreißend«, bestätigte der Junge beflissen und nickte heftig mit dem Kopf.
    Das edle Stück war in der Tat ein Kunstwerk. Auf dem goldenen Ring, der mit einem filigranen Ornament verziert war, prangte ein großer, raffiniert geschliffener Smaragd, dem man zugetraut hätte, auch nachts im schwachen Schein der Sterne zu funkeln. Metscheslaw hatte ihn ihr geschenkt, der breitschultrige Baron Metscheslaw, Gebieter der Domäne Sokolniki. Lubomir war nicht entgangen, dass die Frau stets aufblühte, wenn der einfältige Raufbold sich die Ehre gab. Jedes Mal aufs Neue packte ihn dann ohnmächtige Wut, und er ballte seine jämmerlich kleinen Händchen zu ebenso jämmerlich kleinen Fäusten.
    »Er glitzert so schön«, schwärmte die Frau. »Wessen Seele wohl in ihm wohnt?«
    »Die Seele eines Helden oder einer schönen Frau«, erwiderte Lubomir lächelnd. »Vielleicht auch die des Juweliers. «
    Er hasste diesen Ring! Lubomir stellte die Schatulle auf den Tisch, ging ein paar Schritte zurück und blieb inmitten des Raums stehen.
    »Du hast mir den Grund für deine Aufregung immer noch nicht genannt.«
    Sie kannte den Jungen gut genug, um zu wissen, dass er seine Frage nicht vergessen würde.

    »Also gut, Lubomir. Heute ist ein großer Tag für unser Volk, auf den wir sehr lange gewartet haben. Einige haben schon gar nicht mehr daran geglaubt, dass die Prophezeiung sich erfüllen würde, dass du, der Bote, in unsrer Mitte erscheinst und wir endlich neue Hoffnung schöpfen können.« Sie warf einen zärtlichen Blick auf die schmächtige Gestalt des Jungen. »Heute werde ich diese großartige Botschaft dem Volk des Grünen Hofs überbringen. Kannst du nicht verstehen, dass ich deshalb aufgeregt bin?«
    »Aber ein großer Teil des
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