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Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)

Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)

Titel: Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)
Autoren: Bianca Balcaen
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für die Pikabrote zerstampften.
    Eine sonderbare Stille lag in der
Luft, was ihn verwunderte. Normalerweise wurde er von den jungen
daheimgebliebenen Kriegern immer erfreut begrüßt und mit Jubelgeschrei
empfangen. Doch an diesem Tag standen seine Stammesbrüder still, fast
verunsichert herum und hoben ihre Hand nur ganz leicht zum Gruß.
    Irritiert ritt er weiter und
bahnte sich vorsichtig einen Weg um die spielenden Kinder am Lagerfeuer herum.
Doch dann siegte seine Vorfreude und er sprang von seinem Wallach ab und kam mit
einem eleganten Sprung vor seinem Tipi zum Stehen.
    Im selben Moment schlug Amaru die
Stoffbahn zur Seite und trat mit einer ihm fremden Frau nach draußen in das
grelle Sonnenlicht. Beglückt wollte er auf sie zueilen und sie freudig in die
Arme schließen, aber ihr hasserfüllter Blick ließ ihn zurückschrecken und mitten
in seinen Bewegungen erstarren.
    »Bleib stehen, Sébastien! Du bist
ein Betrüger und ein Versager. Du hast mich mit deinem imposanten Körper nur
geblendet. Sie -«, schrie Amaru aufgebracht und zeigte auf die alte Frau neben
sich. »Sie hat mich untersucht. Ich bin vollkommen gesund. Aber ihr Orakel hat
es aufgezeigt. Du … Sébastien … Du bist kein vollkommener Mann, du bist
unfruchtbar und wirst mir niemals im Leben einen Sohn schenken können.«
    Ihre anklagende Stimme hallte
durch das gesamte Lager wider und eine entsetzliche, lähmende Stille setzte ein.
Alle schienen es schon gewusst zu haben. Sie schämten sich für ihn, denn seine
Unfruchtbarkeit hatte ihrer aller Stammesehre befleckt.
    Gehemmt leckte Sébastien sich
über die Lippen und blickte unsicher zu der alten Frau, die er vage als
Schwester des Medizinmannes vom benachbarten Stamm erkannte.
    Sie war eine Marai.
    Eine orakelnde Hexe und
Ausgestoßene, da ihre Praktiken auf keinem schamanischen Wissen beruhten und
ihre Orakel schon zu vielen verhängnisvollen Todesfällen geführt hatten. Doch
augenscheinlich glaubten seine Frau und sein gesamter Clan ihr bedingungslos.
Verzweifelt und komplett überrumpelt griff Sébastien nach Amarus Hand und
versuchte sie zu besänftigen.
    »Micanta, mein Herz! Ich
verspreche dir, wenn es tatsächlich so sein sollte, dann werden wir einen
anderen Weg finden, um Kinder zu bekommen. Wir lieben uns doch.«
    Mit mitleidslosen Augen
betrachtete sie ihn und befreite sich aus seiner Umarmung. Leise murmelte die
alte Hexe auf Amaru ein und als sie sich wieder umwandte, stockte Sébastien der
Atem. Wie in Zeitlupe registrierte er das Jagdmesser in ihrer Hand – unfähig sie
abzuwehren und zu vermeiden, dass sie mit blitzschneller Bewegung seinen Bauch
aufschlitzte.
    Geschockt fühlte er das warme
Blut, das langsam aus ihm heraustropfte. Aber es war nicht das Aufplatzen seines
Fleisches, das höllisch schmerzte. Nein, es waren ihre gleichzeitig heiser
ausgestoßenen Worte, die sie ihm jetzt förmlich entgegenspie und die ihm im
selben Moment das Herz brachen.
    »Sébastien Sinnamon! Im Namen des
großen Otancan trenne ich mich von dir. Du bist nicht mehr mein Mann und ab
jetzt wird jede indianische Squaw vor dir zurückschrecken. Ich habe dafür
gesorgt, dass du niemals wieder eine Jungfrau so täuschen wirst wie mich.«
    Mit blankem Entsetzen sah er von
ihrem hasserfüllten Gesicht weg und an sich herunter. Als er die blutige Wunde
sah, keuchte er schockiert. Seine vorher bronzeschimmernde und vollkommene Haut
war jetzt rotdurchlaufen. Langsam wischte sich er das Blut ab und dann sah er,
was Amaru ihm angetan hatte.
    Iyokisni - das indianische
Tabuzeichen für einen schlechten und verbotenen Mann prangte in großen und
tiefen Schnittlinien direkt unterhalb seines Bauchnabels. Damit war er auf ewig
gebrandmarkt. Für immer.
    Wie in Trance drehte er sich um
und sah, wie alle seine Brüder und Weggefährten beschämt zu Boden starrten.
Keiner war da, der für ihn Partei ergriff. Und damit wusste Sébastien, was er zu
tun hatte. Ohne ein weiteres Wort griff er nach dem Zügel seines Pferdes und
begab sich mit schleppenden Schritten zu dem Vorratszelt des Lagers.
    Von allen beobachtet, belud er
mit einer scheinbar stoischen Ruhe die Satteltaschen seines Wallachs mit
wärmenden Decken sowie ausreichenden Proviant- und Wasservorräten.
    Es herrschte eine gespenstische
Stille, die nur durch das durchdringende Weinen und Schluchzen seiner Mutter
unterbrochen wurde, das Amaru auch durch einen Schlag auf ihren Arm nicht
stoppen
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