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Totsein ist Talentsache (German Edition)

Totsein ist Talentsache (German Edition)

Titel: Totsein ist Talentsache (German Edition)
Autoren: Alkestis Sabbas
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nicht
arbeiten. Oder … hmmm … gefüttert werden. Dein Papa hat seine neben dem Büro
und dann noch eine hinter eurem Abstellkammerl. Öffentliche Verwesung ist
gerade in dieser Branche nicht so populär. Deshalb auch überall dieses Übermaß
an Aromatherapie. Selbst langsam Verwesende stinken. Da kann man nix machen.
Und weil ihr Kreislauf nicht mehr funktioniert und der Körper daher zusehends
verfällt, werden sie geflickt. Entschuldige diesen Ausdruck, aber es ist so.
Zum Stab eines jeden Außerordentlichen gehören unter anderem ein Maskenbildner
und ein Bandagist. Verweste Körperteile und andere Verletzungen wie Brüche
werden mit Latex und Prothesen kaschiert. Es gibt AOs, die nur mehr 20 Prozent
ihres ursprünglichen Körpers haben. Allein für die seltenen Fälle, in denen sie
sich der Öffentlichkeit präsentieren müssen, ist eine vollständige Maskierung
notwendig. Deshalb gibt es einen exakten Abguss des Gesichts und der sichtbaren
Extremitäten, nach denen die Nachbildungen geformt werden. Und die Sache mit
dem Fressen ist im Endeffekt schnell erklärt. Grundsätzlich haben sie mangels
Vitalfunktionen ja keinen Hunger. Diese Gier nach Menschenfleisch ist eher …
wie soll ich sagen? Impuls. Appetit. Hobby. Früher hat man das mittels
elektrischen Halsbändern in Zaum gehalten. Heute funktioniert es wesentlich
moderner und vor allem dezenter. Ein Chip, der in ihrem Hirn angebracht ist,
hemmt durch elektrische Impulse ihre Fresslust und macht sie steuerbar. Fleisch
bekommen sie quasi zur Belohnung. Meistens Tiere. Aber hin und wieder und vor
allem an besonderen Tagen wie heute werden ihnen halt Menschen vorgesetzt.
Meistens Anarchisten, die ihre Nase zufällig, aber zu tief in die Angelegenheiten
von Felix Austriacus gesteckt haben. Manchmal auch Touristen, weil die
nicht wirklich jemand vermisst. Vor allem die Piefke.“
    In dem Moment,
in dem er diese Worte ausspricht, wird Johann klar, was er da eigentlich all
die Jahre getan hat. Er ist ein Mörder. Oder zumindest Mitwisser und manchmal
sogar Erfüllungsgehilfe. Bisher hat er nie darüber nachgedacht. Das System
funktioniert nun mal so. Und er ist ein Teil davon. Nie hat er sich dafür
rechtfertigen müssen. Bis jetzt.
    Die Puzzleteile in Annas Kopf ergeben endlich ein
Bild. Sophies absurde Verkleidungen und das häufige Verschwinden in der
Abstellkammer. Ihr seltsames Verhalten nach dem Einbruch vor zehn Jahren. Die
nicht ganz spurlos, aber ziemlich endgültig verschwundene Haushälterin. Die nachdrückliche
Anordnung, immer schön brav die Tür abzusperren, gefolgt von einem
kontrollierenden Rütteln. Das an manchen Tagen wahrscheinlich nicht
mütterlicher Sorge, sondern väterlicher Fressgier entsprungen ist. Sophies
hartnäckigen Bemühungen, sie an den Mann zu bringen. An einen richtigen, wie
sie immer insistiert hat. Den hat Anna jetzt. Nur mit den Schwiegereltern
könnte es problematisch werden. „Schatz, deine Eltern …?“Bernd nickt traurig
und sagt: „Ich bin seit Jahren Vollwaise. Und erfahre es heute.“
    Jo ist all das
egal. Genauer gesagt liegt der Schwerpunkt seines Interesses im Moment
woanders: „Was genau meinen Sie eigentlich mit sie ? Wie viele gibt es
denn heute von denen?“
    „Wie viele es gibt, weiß ich nicht auf die
Kommastelle genau. Rund 120. Ihr habt sie doch gesehen. Draußen, im Käfig.
Jedes dieser Monster, wie ihr sie nennt, ist ein Außerordentlicher. Jeder von
ihnen bekleidet eine hohe Position in Österreich. In der Politik, in der
Wirtschaft, in der Forschung. Jeder wichtige Posten ist mit einem AO besetzt.
Jede bedeutende Funktion, die Genie unbeeinflusst von Gefühlen oder den
Widrigkeiten des irdischen Daseins verlangt. Immer begleitet von einem
persönlichen Assistenten und dem jeweils notwendigen Wartungspersonal
natürlich. Und bei mir laufen alle Fäden zusammen. Ich sage, wer wann was zu
tun hat. Jeder AO, jeder Sekundant, jeder Beamte der AFFE, ja – sogar jeder
einzelne Österreicher atmet, isst und kackt, wann und wo ich es für sinnvoll
erachte. Ich habe das Unternehmen meines Vaters übernommen und führe es in neue
Zeiten.“ Janus ist aus seiner Lethargie erwacht und richtet sich im Sessel auf,
während er antwortet. Eitler Stolz erfüllt seinen Blick.
    „Auf den Punkt
gebracht“, stellt Katja fest, „besteht die Elite unseres Landes also aus Scheintoten.“
Geile Idee. Menschen, die weder reden noch denken können, haben das Sagen. Wo
könnte das sonst funktionieren außer in
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