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Totsein ist Talentsache (German Edition)

Totsein ist Talentsache (German Edition)

Titel: Totsein ist Talentsache (German Edition)
Autoren: Alkestis Sabbas
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stellt. Dem egal ist, was du bist. Der dich
nimmt, wie du bist. Weil er selbst anders ist. Und sowieso nicht anders kann.
Aber das interessiert dich wahrscheinlich nicht. Trotzdem: Irgendwann hab ich
angefangen, Friedrich gern zu haben. Ich habe diese Arbeit richtig gern
gemacht. Bis heute. Deine Mutter hat die ganze Zeit Bescheid gewusst und mehr
oder weniger gut damit gelebt. Dass du es erfährst, ist niemals Teil des Plans
gewesen.“
    Anna wirft
Johann einen kalten Blick zu: „Wie?“
    „Was willst du hören? Dein Vater ist schwer krank.
Gewesen. Bis vor zehn Jahren. Dann sind die Leute von Felix Austriacus gekommen und haben ihn dazu überredet, sich zu einem Hades-Sohn machen zu
lassen. So machen sie es immer. Vorzugsweise freilich mit Leuten, die in einer
persönlichen oder gesundheitlichen Krise stecken. Die sind offener, was
unkonventionelle Methoden betrifft. Glaub mir, dein Papa hat in dem Glauben
gehandelt, die Zukunft seiner Familie zu sichern. Seine eigenen Tage sind gezählt
gewesen. Aber deine Mutter und vor allem du – ihr habt noch euer Leben vor euch
gehabt. Das hat er absichern wollen. Ich bin ihm als Sekundant zugeteilt
worden. Verantwortlich für alles, was die Öffentlichkeitsarbeit betrifft.
Verstehst du? Friedrich ist schon früher ein sehr guter Banker gewesen. Aber
seit seiner Modifikation ist er ein brillanter Finanzmagnat. Seine Fähigkeit
besteht darin, Vermögen zu vermehren. Wenn er Zahlen sieht, rechnet er. Mit dem
Ziel, dass die Zahlen größer werden. Mehr kann er nicht. Weder reden, noch
fühlen. Das ist meine Aufgabe. Ich spreche für ihn, wenn Worte notwendig sind
und ich kümmere mich um alle sozialen Belange. Die der Gesellschaft genauso wie
die euren. Ich bin Hand, Mund und Herz von Friedrich Gross. Dein Vater erinnert
sich an keinen Geburtstag. Er weiß nicht mehr, dass er verheiratet ist. Du bist
für ihn – entschuldige, dass ich das so sage – bestenfalls eine
Zwischenmahlzeit, aber nicht seine Tochter. Seine Mitmenschen sind im
gleichgültig. Im ursprünglichsten Sinne. Meine Aufgabe ist, so gut wie möglich
zu vertuschen, dass Friedrich ein Untoter ist. Mit allen Mitteln.“
     Johann senkt
seinen Kopf. Er hat sich immer für einen der Besten gehalten. Hat seine
Aufgaben mit Bravour erledigt. Auch in dem Wissen, dass Späne fallen, wo
gehobelt wird. Dass ihm das einmal das Herz brechen würde, hat er nie bedacht.
Anna steht vor ihm und sieht ihn einfach nur an.
    Seinen Blick weiterhin auf den Boden gerichtet, fährt
Johann fort: „All das sollte natürlich niemand mitbekommt. Wegen der
Geheimhaltung. Und weil jeder von uns Sekundanten weiß, dass es nicht
verkraftbar ist. Wenn man mal eine Zeit lang für einen Außerordentlichen und
seine Familie verantwortlich ist, dann gehört es automatisch zur Arbeit,
Unbeteiligte so weit wie möglich raus zu halten. Auch wenn sie dem AO nahe
stehen. Oder gerade deshalb. Und es ist nicht mal so schwer gewesen, wie man
glauben könnte. Außerdem sind die Untoten ja grundsätzlich ganz lieb. Harmlos.
Wie kleine Kinder.“ Mit einer Handbewegung auf die Brecheisen an den
Waffengurten der AFFEn deutend, fügt er hinzu: „Und notfalls mit einem leichten
Schlag auf den Hinterkopf auszuschalten.“
    Johann redet mehr zu sich selbst als zu Anna und den
anderen. Als könnte er durch das laute Aussprechen nicht nur erklären, sondern
auch entschuldigen. In seinem ganzen Leben hat er sich noch nie so miserabel
gefühlt. So hinterfotzig und unmenschlich.
    „Aber wie,
Johann? Wie ist es möglich, dass keiner was gemerkt hat? Ich habe ihn vorhin
gesehen! Das ist ein ganz anderer Friedrich gewesen als jener, der die Bank
leitet. Was habt ihr mit ihm gemacht?“ Anna hat verstanden, dass ihr Vater
einer von denen ist. Einer von den Untoten. Ein Monster. Sie begreift nur
nicht, warum ihr das nie aufgefallen ist. Warum es niemandem aufgefallen ist.
    „Technisch gesehen ist das recht einfach. Ab dem
Zeitpunkt ihres Todes haben die Außerordentlichen eine durchschnittliche
Haltbarkeit von etwa 15 bis 20 Jahren. Kommt auf die Kühlung an. Du bist doch
in der Bank deines Vaters gewesen. Oder im Medienzentrum. Vielleicht auch im
Parlament. Denkst du, die haben da permanent die Klimaanlage auf Eiszeit-Niveau
laufen, weil der Strom so billig ist? All diese Orte, an denen AOs arbeiten,
gleichen einem riesigen Kühlfach. Damit die Kalten länger frisch bleiben. Sie
haben sogar eigene Kühlkammern, in denen sie eingesperrt sind, wenn sie
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