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Totentaenze

Totentaenze

Titel: Totentaenze
Autoren: Beatrix Gurian , Krystyna Kuhn , Manuela Martini , Susanne Mischke
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Augenwinkel gerade noch einen Schatten wahr, der sich von der breiten Steinsäule löste. Blitzschnell drehte ich mich um.
    »He, was machst du denn hier?«, fuhr mich Sebastian an und stöhnte auf. Er sah aus, als sei er ebenso erschrocken wie ich.
    »Dasselbe könnte ich dich fragen. Also?«
    »Levke hat mir eine SMS geschickt!« Sebastian hielt mir das leuchtende Display vor die Nase. »Sie will mir hier etwas sagen!« Seine dunklen Augen glühten und ich dachte, er hat genauso Angst wie ich.
    »Das ist doch völlig bescheuert«, sagte ich, »mir hat sie dieselbe SMS geschickt. Was will sie denn?«
    Er zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Aber wenn es nicht wichtig wäre, würde sie ja nicht gleich zwei SMS verschicken.«
    »Ich versteh sowieso nicht, warum sie dir eine geschickt hat«, rutschte es mir heraus und ich ärgerte mich gleich darauf über meinen Tonfall.
    »Und wieso nicht?«, fragte er.
    »Bist du etwa ihr Freund?« Ich lachte auf, das war gemein. Und ich sah selbst im dämmrigen Licht der Kirche, dass er rot wurde. Irgendwie hatte ich mich gerade nicht unter Kontrolle, die Anspannung in mir war einfach zu groß.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte ich stattdessen und musste zugeben, dass es mir mit ihm hier weniger unheimlich war.
    »Warten am besten«, meinte er schulterzuckend und machte eine Bewegung mit dem Kinn zu den Bänken. »Wollen wir uns setzen?«
    »Meinetwegen.«
    »Hoffentlich merkt niemand, dass wir nicht in unseren Zimmern sind.«
    Ich zuckte nur die Schultern, aber insgeheim hasste ich es, gegen Regeln zu verstoßen.
    Ich starre aus dem Taxifenster hinaus in die Nacht. Die Fahrt scheint ewig zu dauern; ich habe das Gefühl, als würde jede Ampel, an die wir kommen, auf Rot stehen. Bei dem Gedanken an die Begegnung mit Sebastian fühle ich erneut ein Schamgefühl in mir aufsteigen. Weshalb hatte ich mich ihm gegenüber genauso ablehnend verhalten wie Levke? Ich bin auch nicht besser als sie, denke ich. Wieso nur habe ich mich deshalb mit ihr gestritten …?
    Eine Weile saßen wir also auf dieser Kirchenbank nebeneinander.
    »Hast du Angst?«, fragte er auf einmal und es klang mitfühlend.
    »Quatsch, wovor sollte ich denn Angst haben?«, antwortete ich möglichst gelassen. Ich weihe Menschen nicht gern in meine Gefühle ein.
    Er zuckte die Schultern. »Na, ist doch ein bisschen gruselig, nachts in einer Kirche.«
    »Wüsste nicht, was daran gruselig sein sollte.«
    »Ich hab schon ein bisschen Angst«, sagte er. Jetzt fiel mir auf, dass seine Lippen leicht zitterten.
    Ich zögerte. »Na ja. Ein bisschen vielleicht.«
    Er griff nach meiner Hand, ich wollte sie wegziehen, doch er hielt sie zu fest.
    »Ich hab Angst, dass Levke was passiert ist«, flüsterte er und ich spürte die feuchte Kälte seiner Hand.
    »Was soll ihr denn passiert sein?« Ich bemühte mich, sorglos zu klingen.
    Sein Adamsapfel hüpfte. Er schluckte. »Ich weiß nicht. Aber es ist doch seltsam, dass sie verschwindet und dann uns beide an diesen seltsamen Ort bestellt.«
    Da hatte er recht.
    Wir schwiegen wieder, aber ich zog meine Hand aus seiner heraus. Meine fühlte sich nun unangenehm feucht an und ich wischte sie an meiner Jeans ab. Die Kerze in der Nische flackerte auf, als habe ihr gerade ein Luftzug Sauerstoff zugeweht.
    »Da!« Ich zeigte auf die Kerze. »Sie flackert.«
    »Ja, vielleicht ist jemand gekommen!« Wieder griff er nach meiner Hand, doch dieses Mal zog ich sie gleich weg.
    »Gefällt es dir in Rom?«, fragte er auf einmal mitten in die Stille hinein. In Anbetracht des Anlasses, der uns hierher führte, fand ich die Frage besonders unpassend.
    »Wenn die Touristen weg wären, wäre es cool«, sagte ich knapp. »Oder noch besser, wenn man eine Zeitreise machen könnte.«
    Er nickte und lächelte. »Ja, das wäre cool.«
    Mir reichte es. »Pass auf, ich versuche jetzt noch mal, Levke anzurufen, und wenn sie sich wieder nicht meldet, geh ich zur Polizei. Falls sie zu Wilko gegangen ist, dann soll sie es gefälligst den Bullen sagen.«
    »Wilko?«
    »Der Bruder ihrer Mutter«, gab ich ihm genervt zur Antwort und wählte ihre Nummer. Doch da war wieder nur diese weibliche Stimme, die definitiv nicht Levke gehörte und die ich heute schon ein paar Mal gehört hatte. Die Stimme erzählte auf Italienisch, dass dieser Anschluss zurzeit nicht verfügbar war – oder so etwas Ähnliches wahrscheinlich.
    »Was soll sie denn bei ihm?« Sebastian kratzte sich unter seiner Che-Guevara-Kappe, ohne sie
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