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Totentaenze

Totentaenze

Titel: Totentaenze
Autoren: Beatrix Gurian , Krystyna Kuhn , Manuela Martini , Susanne Mischke
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erwartungsvolle Gesichter und schüttelte den Kopf. »Nur meine Mutter.«
    Statt sofort zu Herrn Rentsch oder Frau Dr. Bart-Keferlein zu gehen, hielt ich mich an die Aufforderung und sagte nichts. Allerdings hatte ich noch keine Ahnung, wie ich mich unbemerkt aus dem Kloster schleichen sollte.
    Die Idee kam mir erst etwas später. Ich erinnerte mich, dass Levke am Tag zuvor eine Flasche Wodka gekauft und in ihrer Reisetasche versteckt hatte. »Für unsere Party«, hatte sie mir zugeflüstert. Levke hätte sicher nichts dagegen, wenn ich den Wodka an Julia und Sandra ausschenkte.
    »Auf den Schock sollten wir was trinken«, sagte ich und tat so, als sei es meine Flasche, die ich aus dem Schrank nahm. Als wir dann die Flasche kreisen ließen, versuchte ich, nicht allzu viel davon zu trinken. Es dauerte kaum eine Stunde und die beiden lagen selig auf dem Rücken in ihren Betten und schliefen. Julia schnarchte sogar.
    Es war kurz vor zweiundzwanzig Uhr. Ich hatte keine Zeit mehr zu verlieren. Die Haustür wurde um zweiundzwanzig Uhr abgeschlossen. Kloster eben. Auf Zehenspitzen schlich ich mich über den Flur hinunter ins Erdgeschoss. Hinter der einen oder anderen Tür hörte ich Stimmen. Aber niemand begegnete mir. Das Zimmer mit dem Fenster zum Gang vor der schweren Eingangstür war unbesetzt. So viel Glück kann man gar nicht haben, dachte ich und schlüpfte hinaus.
    Für einen kurzen Moment genoss ich einfach die Wärme und die Geräusche der römischen Nacht, bis mir wieder klar wurde, weshalb ich hier stand.
    Die Kirche lag nicht weit entfernt. Ich musste nur die Straße überqueren und dann die dritte Straße nach rechts nehmen. Anfangs begegnete mir noch eine Gruppe gut gelaunter skandinavischer Schüler, jedenfalls waren sie alle blond und die Worte, die ich aufschnappte, hörten sich so an wie die Sofa- und Regalnamen bei Ikea. Wie sehr wünschte ich in diesem Moment, dass ich zu ihnen gehören würde und mit ihnen so sorglos lachen könnte.
    An der nächsten Straßenecke schon war ihr Lachen kaum noch zu hören und dann war es auf einmal ganz still. Ich war angekommen.
    Düster ragte die Fassade mit den vielen Spitzen vor mir in den wolkenverhangenen Himmel. An Beleuchtung hatte man gespart. Sicher gehörte die Kirche zu den weniger bekannten. Dann erst fiel mein Blick auf das Schild an der gewaltigen, eisenbeschlagenen Pforte. Baustelle. Zutritt verboten. Selbst mit meinem dürftigen Italienisch verstand ich das. Tatsächlich wehten Abdeckplanen vom Dach, mehrere Sandhaufen waren auf dem Bürgersteig zu sehen, ebenso aufgeschichtete Steinplatten.
    Warum will Levke sich ausgerechnet in einer renovierungsbedürftigen Kirche treffen? Als ob es in Rom keine Cafés gäbe. Einen Augenblick lang überlegte ich, sie anzurufen und zu fragen, ob sie sich vielleicht geirrt haben könnte, doch dann entdeckte ich an der linken Seite der Kirche eine spaltbreit geöffnete Tür. Hatte man vergessen, sie abzuschließen, oder war dort Levke hineingegangen?
    Als ich darauf zuging, pochte mein Herz wie wild. Ich konnte die laue Abendluft auf meinem Gesicht spüren und ein Schauer lief durch meinen Körper, als ein kalter Luftzug durch das offene Kirchenportal drang. Dann trat ich in die Düsternis. Hinter mir fiel die Tür zu, der Geruch nach Weihrauch lag in der Luft. Ein schwaches, kaum wahrnehmbares Licht glomm irgendwo in der Tiefe des Raumes. Vollkommene Stille umgab mich. Kein Straßenlärm, kein Baulärm, nichts, nur dieser Hauch war zu hören, den ich manchmal in sehr weiten, hohen Räumen wahrnehme, als schwirrten überall unsichtbare Geister umher. Mein Herz klopfte immer noch heftig und zu meiner Angst mischte sich noch ein anderes Gefühl: Ärger.
    Warum wollte sich Levke ausgerechnet hier mit mir treffen? Sie hatte schon immer ein Faible für theatralische Auftritte … Daran musste ich denken, während mein Blick über die leeren Bankreihen wanderte und von dort zu den Nischen mit den Gitterstäben und den Kerzenständern davor, auf denen jedoch nur eine einzige Kerze brannte.
    »Levke?«, rief ich. Meine Stimme hallte unheimlich von den Säulen und Mauern. Keine Antwort. Blöde Kuh, ihr macht es wohl Spaß, mich hier rumstehen zu sehen, dachte ich. Sicher beobachtet sie mich. Ich werde unsere Freundschaft beenden. Bestimmt. Es sei denn, sie hat einen triftigen, wirklich sehr triftigen Grund, mich hierher zu bestellen.
    Langsam ging ich an den Bankreihen vorbei zu der Nische mit den Kerzenständern. Da nahm ich im
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