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Totentaenze

Totentaenze

Titel: Totentaenze
Autoren: Beatrix Gurian , Krystyna Kuhn , Manuela Martini , Susanne Mischke
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nicht mehr mit ihr gesprochen habe, dachte ich, sagte es aber nicht. Mir war plötzlich übel.
    Verbissen starrte ich Herrn Rentsch an, dem die Panik alle frühsommerliche Farbe aus dem Gesicht getrieben hatte. Frau Dr. Bart-Keferlein stand steif an die Wand gelehnt, die verbundene Hand in die gesunde gelegt, und nagte an ihrer Unterlippe.
    »Rixa, bist du sicher, dass du uns nichts vorenthältst?« Herr Rentsch hatte mich leicht am Arm angefasst und schaute mir durchdringend in die Augen.
    Wenn er einen nicht mit seinem Hundeblick ansehen würde und wenn er eine andere Frisur und andere Klamotten tragen würde, könnte er fast attraktiv sein, dachte ich, völlig unpassend in diesem Moment. Mit Ende dreißig ist man nun mal nicht mehr ganz knusprig, dachte ich noch und daran, dass es meine Mutter so ausdrücken würde.
    Ich dachte all das, weil ich Angst hatte und mir nicht vorstellen wollte, dass Levke vielleicht etwas zugestoßen sein könnte. Ich sah sie plötzlich in einem dieser Regalfächer, eingeklemmt zwischen all den uralten Knochen und zerbrochenen Schädeln … Hastig schüttelte ich den Kopf.
    »Nein, bestimmt nicht. Wir haben seit dem Frühstück nicht mehr miteinander gesprochen«, antwortete ich.
    Nach dem Essen wurden wir in unsere Zimmer geschickt. Kein Abendprogramm. Nachdem auch Herr Rentsch und Frau Dr. Bart-Keferlein vergeblich versucht hatten, Levke auf ihrem Handy zu erreichen, teilten sie uns mit, dass man nun die Polizei informieren würde.
    Ich teilte das Zimmer mit Levke, Sandra und Julia. Zwei Betten auf der Fensterseite, zwei auf der gegenüberliegenden, zwei Stühle und ein einfacher Tisch an der Stirnwand und über der Tür ein Kruzifix. Auf Levkes Bett, das neben meinem stand, lagen noch die drei T-Shirts, die sie alle am Morgen angezogen und sich dann doch für das Top entschieden hatte.
    »Und wenn es mit Levkes Onkel zu tun hat?«, fing Sandra an, die auf dem Bett saß und an ihren Fingernägeln kaute.
    »Dem Musiker?«, fragte ich und erinnerte mich an den Bruder von Levkes Mutter, der einmal zu Besuch war, als ich mit Levke Mathe lernte. Ein schräger Typ, der damals gerade aus Estland zurückgekommen war, wo er mit andern Musikern eine CD aufgenommen hatte. Langweiliges Zeug, hatte mir Levke im Nachhinein erklärt.
    »Was soll denn Wilko damit zu tun haben?«, fragte ich.
    Julia wollte ins Bett und verharrte mit der Decke in der Hand. »Hat Levke nicht von einem Konzert in Mailand gesprochen?«, wandte sie sich an Sandra.
    »Von Wilko?«, fragte ich.
    Julia nickte, schlüpfte unter die Decke und zog sie bis zum Kinn hinauf.
    »Ja!«, bestätigte Sandra und strich sich wie Millionen Mal am Tag eine Haarsträhne hinters Ohr. »Heute Morgen noch! Aber Mailand ist nun wirklich ein bisschen weit weg.«
    Wieso sollte Levke einfach nach Mailand abhauen? Ohne mir etwas davon zu sagen! Das hielt ich für unwahrscheinlich, selbst hinsichtlich der Tatsache, dass Levke oft ungewöhnliche, spontane Ideen hatte.
    »Vielleicht ist Levke ja immer noch in diesen Katakomben …«, murmelte ich und starrte auf mein Bett.
    »Bis jetzt kann sich jedenfalls niemand daran erinnern, ob sie mit uns herausgekommen ist«, meinte Julia.
    »Du und Sandra, ihr seid doch mit ihr die Treppen hinuntergestiegen, was ist denn danach passiert?«
    Sandra und Julia tauschten einen Blick. »Wir haben uns aus den Augen verloren«, seufzte Sandra. »Sie ist irgendwo stehen geblieben oder in einen anderen Gang abgebogen. Mir ist ganz schlecht.« Sandra legte die Hände auf den Bauch und verzog schmerzhaft das Gesicht.
    »Also, um die Sache mal ganz nüchtern zu betrachten«, sagte ich, um meine eigene Angst zu überspielen, »in den Katakomben wimmelt es den ganzen Tag von Touris. Die Führer kennen dort jeden Winkel. Und dann sind da auch Archäologen, die in den einen oder anderen Teil kommen. Sie kann sich dort gar nicht verlaufen haben. Sie hätte Stimmen gehört, Wegweiser gesehen …«
    »Und vielleicht …« Julia versuchte wohl die gleiche Selbstberuhigungsschiene wie ich. »… vielleicht hat sie sich einfach nur einen netten Tag in der Stadt gemacht und schlürft gerade in irgendeiner Bar …«
    In diesem Moment vibrierte mein Handy. Die SMS kam – ich wollte es nicht glauben – von Levke. Ich wollte die freudige Nachricht schon herausschreien, als ich den Text las:
    Sag NIEMANDEM etwas.
Es ist was passiert. Komm heute Abend um 23 Uhr in die Kirche Santa Clara.
    »Und?« Ich sah in Julias und Sandras
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