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Totentaenze

Totentaenze

Titel: Totentaenze
Autoren: Beatrix Gurian , Krystyna Kuhn , Manuela Martini , Susanne Mischke
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ihre spitzen Schneidezähne zum Vorschein kamen.
    Ich grinste nur schief – wir beide wussten nur zu gut, wie wir uns gegenseitig ärgern konnten. Manchmal fragte ich mich, warum wir überhaupt befreundet waren. Es musste eine Art Hassliebe sein, weil wir so unterschiedlich waren. Doch nach diesem Angriff wendete ich mich ab und beschloss, Levke erst einmal links liegen zu lassen.
    Sebastian bekam von unserem Schlagabtausch nichts mit, er stand inzwischen bei Alex und Darian, den beiden Überfliegern in Mathe und Physik, die meistens unglaublich spannende Gespräche über Quantenphysik oder New Age führten.
    Seltsam, aber ich kann mich fast an jedes Wort und jede Geste erinnern, die ich an diesem Tag wahrgenommen habe. Ich werfe einen Blick auf die Uhr, noch eine Viertelstunde, dann muss ich los. Mit angehaltenem Atem lausche ich den Schlafgeräuschen von Julia und Sandra und schließe selbst noch mal für einen kurzen Moment die Augen.
    Völlig frisch und bester Laune war Frau Dr. Bart-Keferlein aus dem Frühstücksraum gekommen und natürlich hatte sie ihre Stola umgehängt; ich glaube, sie nahm sie nur für Notfälle mit, für Leute wie Levke eben.
    »So, dann mal los! Ich hoffe, ihr habt alle gutes Schuhwerk an, wir haben ein Stück Weg vor uns.«
    Ich dachte an meine Sneakers und fragte mich, ob das tatsächlich »Schuhwerk« war. Levke stöhnte und murmelte: »Es gibt doch Busse, die einen direkt vor die Tür dieser verfluchten Katakomben fahren.«
    »Levke, hast du noch was zum Drüberziehen dabei?«, rief Frau Dr. Bart-Keferlein noch.
    »Klar!«, log Levke und schwenkte ihr winziges Rucksäckchen, in das höchstens ein Seidennegligé reinpasste – wie Frau Dr. Bart-Keferlein wahrscheinlich Levkes hautenges, durchsichtiges Top für abends nennen würde. Und ihr Handy natürlich.
    Um Punkt zehn, erinnere ich mich, verließen wir geschlossen das Kloster, in dem man früher einmal, wann auch immer das gewesen sein mochte, Pilger beherbergt hatte. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass dieser Ausflug nicht so enden würde wie geplant.
    Die Bilder in meinem Kopf sind düsterer oder auch greller als die wirklichen und sie lassen sich nicht so einfach löschen wie auf einem Handy. Sie sind gespeichert in den Gehirnwindungen und bei jedem Aufwachen werden sie automatisch hochgeladen – wie Daten auf einer Festplatte. Ich muss die Vorstellungen löschen, sie austauschen gegen die Wirklichkeit, sage ich mir, als ich mich an den Betten von Julia und Sandra vorbei aus unserem Zimmer schleiche.
    Schwer und sternenlos hängt der Nachthimmel über mir, als ich durch die Klosterpforte schlüpfe, gerade noch, bevor sie zugesperrt wird.
    Auf dieser Straße kommen immer Taxen vorbei, habe ich die letzten Tage festgestellt. Es ist eine stark befahrene Straße, über die man zur Piazza Navona und zu den bis in die späten Nachtstunden belebten Plätzen und Gassen gelangt. Wie gern wäre ich jetzt mit Levke dorthin unterwegs gewesen … Wir hätten an einem Brunnenrand gesessen und den Feuerschluckern zugesehen und Levke hätte ganz sicher irgendwo in der Menge der Armband- und Ethnoschmuckverkäufer einen coolen Typen ausgemacht. Sie war so anders als ich – und genau deshalb haben wir uns gebraucht, ergänzt, gemocht, deshalb waren wir Freundinnen … Gerade noch rechtzeitig reiße ich den Arm hoch und das Taxi fährt an den Bordstein.
    »In die Via Appia Antica 110, zu den Kallixtus-Katakomben«, sage ich und lasse mich auf den Rücksitz fallen.
    »Die haben jetzt geschlossen, Signorita«, wendet der Taxifahrer ein, während er mich misstrauisch im Rückspiegel mustert. Vielleicht denkt er, ich bin eine Prostituierte oder ein Junkie – oder womöglich auch beides. Wer sonst will nachts wohl an solch einen Ort?
    »Ich möchte ja auch nicht hinein«, lüge ich und versuche, entspannt zu wirken, indem ich ihm ein leichtes, kurzes Lächeln schenke. Dabei zittere ich vor Angst und meine Hände und Füße sind kalt und feucht. Der Fahrer seufzt und legt endlich den Gang ein.
    Ich atme aus, noch knappe fünfzig Minuten Aufschub. Wenn der Täter an den Tatort zurückkehrt, setzt er sich nochmals mit dem, was er getan hat, auseinander. Das ist eine Tatsache, sage ich mir zum wiederholten Mal. Ich versuche, mich ein wenig zu entspannen, lehne den Kopf zurück und schließe die Augen. Und dann rufe ich mir noch mal diesen schrecklichen Tag vor Augen – kaum zu glauben, dass das erst vorgestern war …
    Eine Stunde, nachdem wir vom
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