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Totenmal

Totenmal

Titel: Totenmal
Autoren: Dietmar Lykk
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Kröte mit Drei-Tage-Bart im Mund zu
haben, würgte mit einem erstickten Laut, stolperte zum Wohnzimmerfenster und
riss es auf.
    Â»Herr Kriminalhauptkommissar Malbek wollte
sich vergewissern, ob sich eine verdächtige Person noch auf der anderen
Straßenseite befindet«, sagte Harder geistesgegenwärtig. Er wusste von der
Synästhesie seines Chefs, einer Übersensibilität, die der Nase Augen gab. Die
Nasenaugen lieferten Bilder aus dem Unterbewusstsein, die meist sehr skurril
waren.
    Dörte Schneider sah ängstlich zwischen
Malbek und Harder hin und her. Das gleichmäßige Rauschen von der stark
befahrenen Straße erfüllte das Wohnzimmer.
    Â»Na, Herr Kriminalhauptkommissar, alles
okay?«, fragte Harder.
    Â»Ja, war wohl doch nur ein harmloser
Passant.« Er wandte sich zu Dörte Schneider: »Kein Grund zur Sorge, Frau
Schneider. Falscher Alarm.«
    Das Wohnzimmer wirkte im Gegensatz zur Bewohnerin
sehr aufgeräumt. Eine Wasserpfeife und Bambusschnitzereien standen in
wohlgeordneter Dekorationspose auf dem ansonsten leeren Regal neben einer
farbenfrohen Sitzgruppe. Ein Konzertposter einer Punkgruppe hing darüber. Auf
dem Sofa lagen eine Rolle Küchenpapier und ein Lifestyle-Magazin. Davor stand
ein Küchenabfalleimer.
    Sie griff nach einer Zigarettenpackung.
    Â»Frau Schneider, ich bitte Sie, nicht zu
rauchen. Ich bin Rauchallergiker«, sagte Malbek freundlich. »Ich denke, wir
sind auch bald mit den wichtigsten Fragen durch. Wir müssen zunächst klären, ob
Ihr Freund mit dem unbekannten Toten vom Kanal identisch ist. Verstehen Sie,
was ich meine?«
    Sie starrte ihn gequält an und riss, ohne
den Blick von ihm zu wenden, ein Stück Küchenpapier von der Rolle.
    Â»Hat Ihr Freund die gleiche Marke
geraucht?« Sie nickte. Es war eine aufgeweichte Packung vom Duft der großen
weiten Welt gewesen, die sie bei ihm gefunden hatten.
    Â»Wissen Sie noch, welche Kleidungsstücke er
trug?«
    Â»Ich … er hatte ja einiges mit. Ich
weiß nicht, was er so anhatte. Ich meine, gestern. Oder vorgestern, er hatte ja
einiges mit, also er hatte … ein schwarzes Sweatshirt mit braunen Ärmeln
und Kapuze, eine schwarze Windjacke, eine schwarze …« Sie starrte Malbek
erschrocken an, schluchzte laut auf, nickte mehrfach, beugte sich vor, wischte
mit dem Küchenpapier wieder an den Augen herum und warf das Papier in den
bereitstehenden Kücheneimer. Sie riss das nächste Küchenpapier von der Rolle
und zerdrückte es.
    Tränen oder eine Spur von Tränenflüssigkeit
war in ihrem Gesicht nicht zu entdecken. Nur Wimperntusche, die sorgfältig um
die Augen und auf den Wangen verschmiert war.
    Malbeks Handy summte.
    Â»Einen Moment. Vehrs ist dran.« Er
bedeutete Harder mit einem Nicken, die Befragung fortzuführen, ging in den
Wohnungsflur. Es war eine gute Gelegenheit, sich unbemerkt in der Wohnung
umzusehen.
    Â»Okay, schieß los!«, sagte Malbek.
    Â»Der Diakon vom Seemannsheim Holtenau hat
angerufen. Er hat einen ihm bekannten Seemann namens Markus Peters vorgestern
Abend bei sich im Heim gesehen. Er kennt ihn, weil er öfter nach Urlaub oder
Versetzung auf ein anderes Schiff seiner Reederei dort im Seemannsheim gewartet
hat.«
    Â»Und? War mehr aus dem Diakon
herauszuholen?«, fragte Malbek.
    Â»Entschuldige, ich hab’s gefunden, ich hab vorhin
noch etwas rumtelefoniert, und dabei ist der Zettel … ja, hier. Also,
Peters kam ungefähr um neunzehn Uhr dreißig. Er hat gesagt, dass er auf einen
Freund warten muss, der ihn abholen wollte. Er hat sich dann in den
Aufenthaltsraum gesetzt und mit seinem Internet-Stick gesurft.«
    Â»Was für Gepäck hat Peters bei sich
gehabt?«
    Â»Seesack und eine Laptoptasche. Markus
Peters habe einen Anruf auf seinem Handy bekommen, sei rausgegangen, also vor
das Seemannsheim, was die Aufzeichnung der Webkamera an der Schleuse übrigens
bestätigt hat.«
    Â»Hey, da gibt’s ‘ne Aufzeichnung? Warum
haben Sie mir das nicht gleich gesagt?«
    Â»Weil Sie mal gesagt haben: Chronologisch
bitte, immer chronologisch, erinnern Sie sich? Bei Ihrer Amtseinführung«, sagte
Vehrs.
    Â»Danke für die angemessene Wortwahl.«
    Â»Es ist die Webkamera der United Channel
Agency, die haben drei ihrer Kameras ins Netz gestellt. Man war so freundlich,
uns die Aufzeichnung für den Zeitraum sofort rüberzuschicken, und
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