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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult
Autoren: Ines Eberl
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Und die hatte Thibeault de Mortin nicht.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Von meiner Urgroßmutter.« Cesario verschränkte die Hände über der roten Jacke. »Das Mordopfer war ihr Mann. Und der Mörder sein Bruder.«
    Ein Flugzeug stieg über der Festung auf, deren Mauern vom Mönchsberg weiß herüberleuchteten. Dahinter breiteten sich die grünen Hänge des Gaisbergs bis nach Parsch und Aigen aus. Bunte Drachenflieger umkreisten den Gipfel wie fliegende Pfeilspitzen. Tote können einem nichts tun. Konnten sie doch. Dann, wenn man an die Macht ihrer Rachegeister glaubte. Der Stern der Familie Mortin war gesunken. Und jene Mitglieder, die von dem alten Verbrechen wussten, gaben die Schuld daran einem alten Indianerfluch. So viel Angst musste das Leben dreier Generationen belastet haben. »Grand-père hat die Tür zugemauert«, hatte Henri gesagt und dabei listig gezwinkert. Es hatte nichts geholfen.
    »… habe ich meiner Urgroßmutter versprochen, nach dem Verbleib des Kopfes zu forschen.« Cesario zuckte mit den Schultern. »Bald darauf ist sie gestorben. Jahrelang habe ich nicht mehr an die Geschichte gedacht. Irgendwann habe ich von neuen Ausgrabungen im Hochland gehört. Und als ich den Namen des Ausgrabungsleiters gelesen habe, wusste ich, das ist das Zeichen.«
    Der Junge hat Arbeit gesucht, und da habe ich ihn eben als Fahrer eingestellt. Inzwischen ist er mir unersetzlich. »Aber Henri hatte doch nichts mit dem Verbrechen an deinem Vorfahren zu tun«, wandte Bosch ein.
    »Ich wollte ja auch nur den Kopf.« Cesarios Ton war trotzig. »Sonst nichts.«
    »Dafür hast du aber einiges angerichtet.« Ein Schloss war bis auf die Grundmauern abgebrannt. Eine wissenschaftliche Sammlung von unschätzbarem Wert zerstört. Ein Mann war freiwillig in den Flammentod gegangen. »Ohne dich würde Henri noch leben.«
    Cesario setzte sich auf. »Nicht ich habe Mortin umgebracht.«
    Die Worte hatten einen schmerzhaften Widerhall in Boschs Ohren. Das war doch nicht ich, der Aschenbach getötet hat. Es war selbstverständlich Grand-père. »Lass mich raten – es war dein Vorfahre.«
    »Wer?« Cesario starrte ihn an, als habe er den Verstand verloren. »Mortin ist selbst ins Feuer gelaufen. Der konnte sich ein Leben ohne die ganzen Scheußlichkeiten seines Großvaters doch gar nicht vorstellen.« Er schüttelte den Kopf. »Den Mann von der Frau, den hatte er auch im Visier, diesen Asche… wie auch immer.«
    »Aschenbach.«
    »Und die Frau wäre in der Kapelle verreckt.« Cesario redete sich in Rage. »Ein Glück, dass ich den beiden nachgegangen bin, als Mortin sie dorthin gelockt hat. Ich hatte kurz vorher die Kiste mit den Köpfen gefunden.« Er riss die Augen auf. »Sie haben meinem Urgroßvater die Lippen noch mit Pflöcken verschlossen. Damit er ja keine Rache nehmen kann. Daran habe ich ihn erkannt.« Er ballte die rechte Hand zu einer Faust. »Unter einer Pferdedecke. In einer Holzkiste.«
    Bosch räusperte sich. »Du hast ihn mitgenommen.«
    »Natürlich. Was denken Sie?«
    »Frau Aschenbach hat mir erzählt, Henri habe ihr eine Kalebasse mit Gift hingestellt.« Er schluckte. »Damit sie Selbstmord begehen kann.«
    Cesario lachte ein freudloses Lachen. »Kann ich mir denken. Das hätte dann wie ein Schuldeingeständnis ausgesehen. Seht her, mit diesem Gift habe ich meinen Mann umgebracht.«
    »Und kann mit der Schuld nicht leben«, ergänzte Bosch. »Andernfalls wäre sie auf ewig in der Kapelle geblieben.« Henri hatte ihn gebeten, darauf zu achten, dass der Mauerdurchbruch ordnungsgemäß verschlossen wurde. Ich möchte keinen Ärger mit dem Denkmalamt. Der Tee in der Tasse vor ihm hatte die Farbe hellen Schlamms.
    »Da ist … noch etwas«, sagte Cesario.
    »Noch etwas?« Bosch wusste nicht, ob er noch mehr Details verkraften konnte.
    Ein Dröhnen kam vom Untersberg her. Rotorengeklapper schwoll an, Sturm erhob sich, und dann flog ein Helikopter so dicht an der Terrasse vorbei, dass Bosch die Gesichter der Piloten erkennen konnte. Die Maschine senkte die Nase zur Landung. Im nächsten Augenblick war sie hinter dem Terrassengeländer verschwunden.
    »Curare kann man nicht einnehmen«, erklärte Cesario. »Das heißt, man kann schon, aber es ist sinnlos.«
    »Sinnlos?« War der Tod denn nicht immer sinnlos?
    »Man stirbt nicht an Curare.« Cesario schüttelte den Kopf. »Curare ist ein Nervengift. Es lähmt nur die Muskulatur.«
    »Und was heißt das?«
    »Meine Vorfahren haben mit Curare-Pfeilen gejagt. Um das
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