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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult
Autoren: Ines Eberl
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Wild an einer langen Flucht zu hindern – Curare hat eine lähmende Wirkung. Man kann das Fleisch also noch essen.« Er zögerte, dann setzte er hinzu: »Aber Curare allein tötet nicht. Großes Wild, einen Jaguar oder Tapir, muss man mit einem Speer verletzen. Das gelähmte Tier verblutet.«
    Bosch sah wieder das sepiafarbene Jagdfoto vor sich. Den toten Tapir. Und die Pfeile mit der Lanzenspitze. Es hätte ihm schon viel früher auffallen müssen. Sein Herzschlag beschleunigte sich. »Dann ist Aschenbach gar nicht vergiftet worden?«
    Cesarios Miene war unergründlich. »Wenn, dann nicht mit Curare.« Er blickte auf seine schlanken braunen Hände hinab. »Das wollte ich Ihnen sagen. Deshalb musste ich Sie noch einmal sehen.« Er verschränkte die Finger ineinander, als wollte er beten. »Sie hätten bei der Polizei aussagen und mein Leben zerstören können. Sie haben es nicht getan.« Ein trauriges Lächeln spielte um seinen Mund. »Und dabei sind Sie, glaube ich, der Einzige, der Mortin je gemocht hat.«
    Henri, der Aschenbach ins Bett bringt und mit dem Pfeil verletzt. Der Frau Aschenbach einen tödlichen Giftbecher reicht. »Dann hat Henri Aschenbach gar nicht ermordet?« Bosch war fest von seiner Schuld überzeugt gewesen. Auch wenn ihm jedes Unrechtsbewusstsein gefehlt hatte.
    »Wie gesagt – nicht mit Curare allein.«
    Fingerhut. Digitalis. Wollige schwarze Fasern auf einem blutigen Steak. Sie glauben also, es war das Herz? Was denn sonst? Aber der Hund hatte das vorbereitete Steak gefressen. Hatte die Aschenbach angesichts ihres wehrlosen Ehemannes die Gelegenheit genutzt und einfach ein Kissen genommen?
    »Henri meinte, Aschenbach habe viele Feinde gehabt. Irgendwer hat ja auch den Autositz zerstochen.«
    Da lachte Cesario. »Das war das Mädchen.«
    »Welches Mädchen?«
    »Die vom Hofladen.« Er grinste. »Die hat Gemüse geliefert. Und als sie gegangen ist …« Er hob seine Faust und tat so, als würde er damit zustechen. »Ich hab’s vom Küchenfenster aus gesehen. Sie muss einen ziemlichen Hass auf die Frau gehabt haben.« Er warf einen Blick auf seine teuer aussehende Armbanduhr. »Ich muss langsam zum Gate. Danke für die Cola.« Er stand auf und griff nach seinem Rucksack. Der Kopf des Teddybären nickte.
    Eines wollte Bosch noch wissen. »Hast du nie irgendwelche Skrupel gehabt, Henri so zu belügen?«
    Für einen Moment hielt Cesario inne. Dann sagte er: »Nie.« Es klang völlig unbekümmert. Er hob den Rucksack und schwang ihn sich auf den Rücken. »Die Mortins hatten ja auch nie Skrupel.« Er schob die Arme unter die breiten Träger.
    »Und … und der Schrumpfkopf?« Der vom Feuer rot angestrahlte Kopf, dessen Lippen mit Lederbändern verschlossen und zusätzlich von Holzpflöcken grausam durchbohrt worden waren. Damit die Rachegeister des Toten nicht austreten konnten. Die aber trotzdem einen Weg gefunden hatten. »Wo ist der Schrumpfkopf jetzt?« Wahrscheinlich hatte Cesario ihn irgendwo rituell begraben.
    Cesarios Augenbrauen schossen in die Höhe. »Den nehme ich natürlich mit.«
    » Was? Wie denn? Du kannst doch heute keinen Schrumpfkopf mehr einfach so ausführen. Du brauchst mindestens einen Herkunftsnachweis und wer weiß was noch.« Bosch konnte sich direkt das Gesicht des Beamten vorstellen, der den Rucksack bei der Sicherheitskontrolle durchleuchtete. Wenn auf seinem Schirm auf einmal das Gesicht eines Toten auftauchte. »Hast du ihn etwa dabei?« Im Ernstfall musste Bosch das Ding wohl in seinem Holzhäuschen aufbewahren, bis alle Formalitäten für eine Überführung nach Südamerika erledigt waren.
    »Klar.« Cesario grinste. Mit dem Daumen wies er auf den Teddy, der aus der Rucksacktasche lugte. »Aber gut verpackt.« Der Stoffbär starrte Bosch mit kalten Glasaugen an, als wüsste er um seine kostbare Fracht und wäre entschlossen, sie zu verteidigen. » Adiós , Don Hans.«
    Cesario drehte sich um und überquerte die Dachterrasse. Der Wind spielte in seinem blauschwarzen Haar. An der Tür zum Restaurant drehte er sich noch einmal um und winkte zum Abschied. Dann war er verschwunden.
    Bosch schaute zur Festung hinüber. Ihre Mauern und Zinnen erinnerten an ein Schloss. Das war ihm bisher noch gar nicht aufgefallen. Er war nicht gerne auf der Festung. Sie schien ihm immer wie ein Symbol der Unterdrückung und Unfreiheit. Am Wolfgangsee wartete sein Hund auf ihn. Und auf der Staffelei das Bild, an dem er seit einer Woche in jeder freien Minute arbeitete. Den Titel »Der
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