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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult
Autoren: Ines Eberl
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schaltete er das Telefon ab und wollte es schon zurückgeben, als ihn etwas zögern ließ.
    Bosch starrte Cesario an. »Du … du hast immer ein Handy gehabt.« Er bemerkte kaum, dass er zum Du übergegangen war. Cesario hätte zu jeder Zeit Hilfe rufen können. Aber er hatte es nicht getan.
    Cesario hob das Kinn und gab keine Antwort. Der Junge, der eben noch vor Erleichterung geweint hatte, war verschwunden. An seine Stelle war wieder Henris Diener getreten, stark, ruhig und mit unergründlicher Miene. Seine schwarzen Augen glommen wie Holzkohle im Schein der letzten Flammen, die auf den Trümmern vor den Fenstern tanzten. Hinter ihm stiegen Rauchwirbel aus den geborstenen Dachsparren. Cesario beobachtete Bosch. Er schien auf eine Reaktion zu warten.
    Aber Bosch brauchte keine Erklärung mehr. »Was hast du getan?«, flüsterte er und reichte Cesario das Handy. »Warum?«
    Cesarios Mundwinkel zuckten. Mit dem Arm machte er eine weit ausholende Geste, die das ganze Trümmerfeld umfasste. Wie ein Künstler, der erschöpft, aber glücklich sein Werk präsentiert. »Danke«, sagte er. » Gracias , Don Hans.«
    In der Ferne war die Sirene des Notarztes zu hören.
    Da drehte sich Cesario um und ging über den Teppich aus glänzenden Scherben davon. Der Affengott schien ihm nachzusehen. Sein rot lackiertes Maul lachte. Unter dem Arm hielt Cesario den Schrumpfkopf. Die mit Federn geschmückten Lederbänder bewegten sich sacht im Takt seiner Schritte. Er stieg durch das zerbrochene Fenster. Im nächsten Moment war er in der Dunkelheit verschwunden.

EPILOG
    »Abflug British Airways, Flug Nummer 9114, nach Glasgow. Alle Passagiere werden gebeten, sich umgehend zum Flugsteig A zu begeben. All passengers …«
    »Oh, Verzeihung.« Bosch hatte auf die Uhr gesehen und nicht aufgepasst. Der Schlossbrand lag schon eine Woche zurück, und er wollte sich von Cesario am Flughafen verabschieden. Nun war er mit der Schuhspitze gegen einen Koffer gestoßen, auf dem sich Gepäckstücke und Plüschtiere türmten, und hatte das ganze Gebilde fast zum Einsturz gebracht. »Könnten Sie mir bitte sagen, ob das der Flug nach Frankfurt ist?« Die Schlange vor dem Abfertigungsschalter war endlos lang, und er hatte Cesario nirgends entdecken können.
    »Sie können wohl nicht lesen.« Eine dicke Blondine in Shorts und Flip-Flops, mehrere Kinder im Schlepptau, schaute Bosch voller Verachtung an. »Hier ist Hurghada, ey.«
    Das hätte Bosch sich denken können. So wie die Person gekleidet war, landete das Flugzeug bestimmt direkt am Strand. In Gedanken wünschte er ihr eine gute Reise. Man las ja immer wieder von Haiattacken vor der ägyptischen Küste.
    Bosch drehte sich um und durchquerte die Abflughalle, wobei er sich weiter nach Cesario umsah. In dem kleinen Bistro auf der rechten Seite saßen mehrere Reisende und feierten den bevorstehenden Urlaub mit einem letzten Bier. Ein Strom eben angekommener Passagiere, Koffer und Pässe in den Händen, strebte dem Ausgang und den Taxiständen zu. Von einem riesigen Plakat lachte Wolfgang Amadeus Mozart auf die Touristen herab und hieß sie in Salzburg willkommen.
    Genervt von dem ganzen Trubel stellte sich Bosch schließlich mit dem Rücken vor die Auslage des Zeitschriftengeschäfts und warf wieder einen Blick auf die Uhr. Cesarios Maschine nach Frankfurt startete um vierzehn Uhr zwanzig. Noch gute zwei Stunden. Er schob die Hände in die Hosentaschen und beschloss, einfach zu warten. Es hatte keinen Sinn, ziellos auf dem Flughafen herumzuirren. Durch diesen Gang musste Cesario früher oder später kommen.
    Das Schloss war durch den Brand fast völlig zerstört worden. Nur der Küchentrakt, in dem sich auch die Personalzimmer befanden, war gerettet worden. Wenn Bosch über seinen Steg bis auf den See hinausging, konnte er die Reste des Schlosses zwischen den Bäumen erkennen. Tagelang war Rauch von den schwelenden Trümmern aufgestiegen. Jetzt ragten nur noch die schwarzen Turmstümpfe, umkreist von schreienden Möwen, in den Himmel.
    Nachdem Cesario in jener Nacht verschwunden war, hatte Bosch seine Nachbarin in die Obhut des Notarztes gegeben. Dann war er nach Hause gegangen. In dem Tumult aus Feuerwehr und Rettung war seine Anwesenheit nicht aufgefallen. Als hätte er eine Tarnkappe getragen, war er unbemerkt an den Löschzügen vorbeigelaufen und über die Wasserschläuche gestiegen. Er hatte das Tigerfell aus einer Wasserpfütze gefischt, dann war er, den nassen Pelz als einziges Souvenir, zum
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