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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch
Autoren: Amanda Stevens
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zu geben und ihnen den gebührenden Respekt zu erweisen, aber das war nicht immer möglich   …«
    »Wie   … viele?«
    Er schloss die Augen und erschauerte. »Ich weiß es nicht. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen. Ich habe versucht, sie mit Bedacht auszusuchen   … nur solche armen Seelen zu wählen, die befreit werden mussten. Alles andere, das war Clayton. Die Fesseln, die Folter   …« Die letzten Worte flüsterte er nur noch.
    »Früher war ich so dumm zu glauben, dass ich ihn aufhaltenkann. Damals, als wir noch jung waren. Ich war so glücklich, als die Polizei ihn das eine Mal mitgenommen hat   – wie neugeboren habe ich mich gefühlt –, aber irgendwann kam er wieder heraus und ist in Emerson aufgetaucht. Als er mir erzählt hat, was er meiner Cousine Afton angetan hat   … dass er ihre Ermordung jahrelang geplant hat, um mich zu verhöhnen und zu kränken   … da wusste ich, dass ich einen Weg finden musste, um dem allen ein Ende zu machen. Weil er mich nie in Ruhe lassen würde.«
    »Sie   …«
    »Ja, ich habe ihn umgebracht. Aber seitdem ist sein Totengeist an mich gebunden, all die Jahre. Zwingt mich immer noch zum Töten.« Mit gequältem Blick starrte er mich an. Mit den Augen eines Besessenen. »Sie können sich gar nicht vorstellen, zu was er mich gezwungen hat. Die armen Frauen   …«
    Er schaukelte jetzt mit geschlossenen Augen. »Wieder und wieder habe ich versucht, dem Ganzen ein Ende zu machen   … mich umzubringen, aber er hat es immer geschafft, mich daran zu hindern. Und eines Tages ist mir klar geworden, dass das alles gar nichts bringen würde. Denn selbst wenn ich es schaffen würde, mir das Leben zu nehmen, würde er auf der anderen Seite auf mich warten   … mich an sich ketten bis in alle Ewigkeit   …« Er schluchzte leise auf, und trotz allem überkam mich auf einmal eine Welle von Mitleid, denn ich wusste, dass er die Wahrheit sagte. Claytons Totengeist hatte ihn an den Rand des Wahnsinns getrieben.
    Er schniefte und wischte sich über die Augen. »Aber das macht nichts mehr, denn ich weiß jetzt, wie ich es doch beenden kann. Ich habe auch das letzte Hindernis aus dem Weg geräumt.«
    »Camille   …?«
    Er holte zitternd Atem. »Das wollte ich nicht. Wenn es irgendeine andere Möglichkeit gegeben hätte   …«
    E r hatte Camille ermordet. Nicht Clayton. Ob er es wahrhaben wollte oder nicht, er hatte etwas von diesem Ungeheuer in sich.
    »Ich dachte zuerst, Sie hätten an dem Tag irgendetwas eingefangen mit Ihrer Kamera, aber Sie waren nie eine Bedrohung. Camille dagegen schon. Sie hat mich eines Nachts von Oak Grove kommen sehen. Ich habe ihr erzählt, ich hätte für mein Buch recherchiert, aber sie war schlauer, als gut für sie war, und sie hat angefangen, Fragen zu stellen. Wenn sie es nur noch ein bisschen länger hätte gut sein lassen, dann hätte es keine Rolle mehr gespielt. Dann hätte sie zur Polizei gehen und denen sagen können, was für einen Verdacht sie hatte, und ich wäre doch auf ewig von Clayton befreit gewesen.«
    »Wie   …?«
    »Indem ich ihm erlaubt hätte, zu Ihnen zu kommen, Amelia.«
    Ein eisiger Schauer durchfuhr mich.
    »Nach heute Nacht hätte das alles keine Rolle mehr gespielt«, wiederholte er mit trauriger Stimme.
    Und da begriff ich plötzlich. Daniel hatte vor, in dem Moment Selbstmord zu begehen, wenn Claytons Totengeist sich an mich klammerte. Das war seine einzige Chance, sich von seinem Geist zu befreien. Bis in alle Ewigkeit.
    »Schlaf jetzt«, sagte er mit sanfter Stimme. »Bald ist alles vorbei.«

EINUNDVIERZIG
    Ich wachte auf mit dem Geschmack von Erbrochenem im Mund und mit dem Geruch von Verwesung in der Nase. Der Boden unter mir war kalt und rau, und irgendetwas schnitt mir in die Wange; darum versuchte ich, den Kopf zu heben. Eine Welle von Übelkeit überkam mich, und ich musste heftig würgen.
    Dann sank ich wieder auf den Boden und lag ganz still da, bis sich der Nebel in meinem Kopf ganz allmählich lichtete. Ich begann mich bruchstückhaft zu erinnern. Daniel Meakin war in meinem Haus gewesen. Er hatte gestanden, dass er Clayton Masterson getötet hatte. Was hatte Ethan über den Mord gesagt? Mindestens sieben tiefe Stichwunden. Es war ein brutaler Mord.
    Er wollte sich von seinem Peiniger befreien und musste feststellen, dass er immer noch an Claytons Totengeist gebunden war. Jetzt wollte er Clayton zu mir locken.
    Taumelnd stand ich auf und arbeitete mich schlurfend vorwärts, bis ich die
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