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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch
Autoren: Amanda Stevens
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mich im Haus ein. Ein Riegel konnte ihr Eindringen zwar nicht verhindern, aber ich musste ich mich ja auch noch vor einem Mörder fürchten.
    Wie hatte es nur so weit kommen können?
    Ich versuchte, meine Angst in den Griff zu bekommen, und machte mir eine Tasse Tee, dann streifte ich allein durch das stille Haus und fühlte mich einsamer denn je. Würde es von jetztan immer so sein? Nur ich, hier, eingesperrt, um die Geister der Toten auszusperren?
    Ich dachte an Devlin und fragte mich, wo er wohl gerade war. Er hatte tagsüber kein einziges Mal versucht, mich anzurufen, obwohl   … wer konnte ihm das verdenken? Er wusste nur, dass ich ihn zurückgestoßen hatte und wie eine Wahnsinnige aus seinem Haus gestürmt war. Er war mir nach Hause nachgefahren, hatte um eine Erklärung gefleht, und ich hatte daraufhin das Einzige getan, was ich tun konnte, und ihn ebenfalls ausgesperrt.
    Ich erlaubte mir, mich in Selbstmitleid zu suhlen, und dachte überhaupt nicht mehr an Clayton Masterson. Und das erwies sich als folgenschwerer Fehler.
    Ich war in den vorderen Teil des Hauses gegangen und hatte mich ans Fenster gestellt, um ein bisschen hinauszuschauen, und als ich mich wieder umdrehte, bekam ich plötzlich einen Schwindelanfall. Ich stolperte und verschüttete meinen Tee. Es war totenstill im Haus, deshalb weiß ich nicht, warum ich nach oben schaute. Und Daniel Meakin erblickte. Er stand oben auf dem Treppenabsatz und starrte zu mir herunter wie ein schüchterner, erschöpfter Schatten. Die Tür hinter ihm, die normalerweise verriegelt war und die meine Wohnung vom zweiten Stock abtrennte, stand weit offen.
    In diesem Moment erinnerte ich mich plötzlich an etwas   – Macon Dawes hatte mir bei unserer Begegnung im Garten erzählt, dass er gerade von einer Zweiundsiebzig-Stunden-Schicht gekommen sei, aber ich hatte in den zwei Nächten Schritte gehört in seiner Wohnung. Irgendjemand war in der Nacht da oben herumgegangen. Irgendjemand hatte die Riegel abgeschraubt, die Tür geöffnet, und jetzt blinzelte ich, um zu sehen, wer dieser Jemand war.
    Das Zimmer fing an, sich zu drehen, und ich stützte mich an der Wand ab, um nicht zu fallen. »Was machen Sie hier?«
    Er schien keine Eile zu haben, sondern kam langsam in halb gebückter Haltung die Treppe herunter.
    Ich wusste, dass ich mich hätte umdrehen und versuchen müssen, zur Haustür zu fliehen. Der rettende Ausgang war nur wenige Schritte entfernt. Doch ich konnte nicht laufen, ohne mich an der Wand festzuhalten. Mein Blick fiel auf den verschütteten Tee. War irgendeine Droge darin gewesen?
    Es kostete mich große Anstrengung, den Kopf zu heben. »Was   …?«
    »Es ist nur ein Beruhigungsmittel und ein Muskelrelaxans. Nichts, was Ihnen schaden wird«, sagte Daniel Meakin zuvorkommend. »Vielleicht sollten Sie sich lieber hinsetzen.«
    Ich wollte ihm nicht gehorchen, aber ich hatte keine Wahl. Meine Knie gaben nach, und ich sank auf den Fußboden.
    »Oje«, murmelte er und eilte zu mir. »Das ging viel schneller, als ich gedacht habe.« Ich versuchte aufzustehen, aber er legte mir die Hände auf die Schultern und drückte mich nach unten. »Bleiben Sie ruhig liegen. Sie verletzen sich nur, wenn Sie herumgehen. Ich fürchte, das wäre im Moment sowieso nicht möglich.«
    Er hatte recht. Ich konnte meine Arme und Beine nicht mehr spüren.
    Ich legte mich mit dem Rücken auf den Boden und versuchte, die Zimmerdecke dazu zu bringen, dass sie aufhörte, sich zu drehen.
    »Hier«, sagte er. »Ich mache es Ihnen etwas bequemer.«
    Er wurde geschäftig, wischte den verschütteten Tee auf, holte ein Kissen aus dem Wohnzimmer und schob es mir vorsichtig unter den Kopf. »Besser?«
    »Warum?«, versuchte ich zu flüstern, doch ich brachte nur einen verzerrten, erstickten Laut heraus.
    Er schien zu verstehen, was ich meinte. Mit einem tiefen Seufzer ließ er sich auf den Boden sinken, zog die Beine an dieBrust und stützte das Kinn auf die Knie. »Sie haben ja keine Ahnung, wie mir das hier zuwider ist«, sagte er. »Sie waren einer der wenigen Menschen, die mich je gesehen haben   … wirklich gesehen haben, aber Sie haben auch ihn gesehen, nicht wahr?«
    Hilflos schüttelte ich den Kopf und versuchte zu sprechen.
    »Pssst«, beruhigte er mich. »Ist schon gut. Ich weiß, was mit Ihnen los ist. Ich weiß, was für Fähigkeiten Sie haben.«
    Wie war das möglich? Es sei denn   …
    Auf einmal erinnerte ich mich, wie Tula Mackey den anderen Jungen beschrieben hatte:  
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