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Wo ist Thursday Next?

Wo ist Thursday Next?

Titel: Wo ist Thursday Next?
Autoren: J Fforde
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1.
Das BuchWelt-Remake
    Das Große Remake war einer der Augenblicke, in denen man sich wirklich als Teil der Literatur fühlte und nicht bloß von ihr getragen wurde. In weniger als zehn Minuten änderte die Buch-Welt ihre gesamte Struktur. Das alte System wurde weggefegt, und nichts blieb, wie es war. Aber gerade die Leute, zu deren Nutzen das alles geschah, merkten glücklicherweise gar nichts davon: die Leser. Für die meisten von ihnen waren Bücher nach wie vor einfach nur Bücher. Ach, wenn das nur alles so einfach wäre   …
     
    Bradshaws Führer zur BuchWelt
     
    Jeder weiß noch genau, wo er gerade war, als die BuchWelt komplett umgekrempelt wurde. Ich war zu Hause und erholte mich zwischen zwei Lesungen, was ein höflicher Euphemismus für »beinahe verramscht« ist.
    Das hieß aber nicht, dass ich untätig war. Nein, ich nutzte die Zeit, um mich mit E Z-Reads neuesten arbeitssparenden Erzähltechniken vertraut zu machen, die es einem Ich-Erzähler wie mir erleichtern sollten, den Stress einer fünfbändigen Serie am spekulativen Ende der Fantasy zu bewältigen, die nicht weniger als achtundsechzig Schauplätze hat.
    Leisten konnte ich mir keine von diesen Tinkturen, Geräten und sonstigen Hilfsmitteln   – nicht mal Verb-Ease™ gegen lästige Unregelmäßigkeiten bei Verben   –, aber darum ging es auch gar nicht. Was mich interessierte, war eigentlich nur die Gesellschaft des regionalen E Z-Read -Vertreters, eines fröhlichen Prospektiven Liebhabers namens Whitby Jett.
    »Wir haben eine neue Produktlinie bei der Vorausdeutung«, sagte er und zeigte mir einen kleinen blauen Flakon.
    »Muss die Flasche ausgerechnet die Formen von Lola Vavoom haben?«, fragte ich.
    »Ach, Sie wissen ja   … Marketing.«
    Ich zog den Stöpsel heraus und schnupperte vorsichtig.
    »Und? Was meinen Sie?«, fragte er.
    Whitby war einer der gut aussehenden Männer, die man als »jugendliche Mittvierziger« anpreist.
    Ich wusste damals noch nicht, dass er eine dunkle Vergangenheit hatte und unsere wechselseitige Anziehung wegen seiner zurückliegenden Missetaten nur böse enden konnte. Aber an Wahnsinn, Verzweiflung und gegenseitige Schuldzuweisungen denkt man ja immer zuletzt.
    »Ich ziehe Vorausdeutungen vor, die nicht ganz so intensiv riechen«, sagte ich und verschloss den Flakon wieder. »Ich habe hier gerade jede Menge Hinweise auf eine dunkle Vergangenheit bei Ihnen gewittert.«
    »Schön wär’s«, sagte Whitby trübsinnig. Sein Buch war schon lange makuliert und gelöscht worden und er gehörte zu den Abertausenden von Figuren, die in der BuchWelt mit Gelegenheitsjobs mühsam ihr Dasein fristen und dabei immer hoffen, sie würden irgendwann doch noch mal eine brauchbare Rolle abkriegen. Wegen seines Status als minderer Prospektiver Liebhaber hatte man ihm nie eine vernünftige Vorgeschichte gegeben. Diejenigen, die keine Vergangenheit hatten, versuchten das oft als geheimnisvoll zu verkaufen, obwohl es das gar nicht war. Aber Whitby war in dieser Hinsicht erfrischend ehrlich. »Keine Vergangenheit zu haben wäre natürlich eine tolle Story«, hatte er mir mal in einem intimen Augenblick anvertraut, »aber in Wirklichkeit war mein Autor bloß zu faul, mir eine zu geben.«
    Ehrlichkeit weiß ich immer zu schätzen, selbst wenn sie mir in diesem Fall fast zu persönlich war. In der BuchWelt gab es kaum jemanden, der von den oft sehr egoistischen Bedürfnissen seines Autors unbeschädigt geblieben wäre. Eine schlecht geschriebenecharakterliche Grundausstattung voller widersprüchlicher Motive kann eine Figur nämlich jahrzehntelang, wenn nicht gar für immer in die Therapie verbannen.
    »Hatten Sie in letzter Zeit Jobangebote?«
    »Man hat mir eine Statistenrolle in einem Martin Amis in Aussicht gestellt.«
    »Und wie ist es gelaufen?«
    »Ich hab eine halbe Seite gelesen, und dann haben sie mich gefragt, was ich davon halte. Ich hab gesagt, ich hätte jedes Wort verstanden, und da wurde ich weggeschickt. Ich war überqualifiziert.«
    »Das tut mir leid.«
    »Nicht so schlimm«, sagte er. »Letzte Woche hat man mir eine Vierhundertsechs-Wort-Rolle in einem Horror-Roman angeboten, aber ich weiß nicht so recht. Der Autor ist Anfänger und hat bloß einen kleinen Verlag, da gibt es vielleicht gerade noch eine zweite Auflage. Und wenn ich verramscht werde, bin ich noch schlechter dran als zuvor.«
    »Mich haben sie auch schon mal verramscht«, sagte ich.
    »Aber Sie waren früher wenigstens echt populär«, erwiderte
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