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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch
Autoren: Amanda Stevens
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hinaus.
    Der Riss in der Wand wäre mir nicht aufgefallen, wenn ich nicht die Flügel des Insekts hätte schimmern sehen, als es durch ein winziges Loch im Mörtel schlüpfte. Ich strich mit der Fingerspitze über den Spalt.
    Es war eine Art Tür, die so geschnitten war, dass sich die Ziegel perfekt einpassten, wenn sie geschlossen war. Ich legte das Telefon auf den Boden und drückte zunächst mit den Händen gegen die Steine, presste mich dann mit der Schulter dagegen. Schließlich setzte ich mich auf den Boden und trat so heftig wie ich konnte gegen das Türblatt, bis es nachgab und herausfiel und eine weitere Kammer freigab.
    Der Gestank nach Verwesung schlug mir entgegen, zusammen mit einer schwarzen Wolke aus summenden Fliegen.
    Sie flogen mir ins Gesicht und auf die Lippen. Ich schlug sie weg und zog mir das Shirt über Mund und Nase, dann bewegte ich mich mit dem Licht des Displays Zentimeter für Zentimeter auf das Loch zu. Der Gestank kam auf jeden Fall aus dieser Kammer. Ich würgte und wippte zurück auf die Fersen, erschaudernd bei der Vorstellung, was in diesem Raum sein musste.
    Leichen. Die Leichen, die Daniel aus Zeitmangel nicht vergraben hatte.
    Wie viele?, fragte ich mich.
    Irgendwann habe ich aufgehört zu zählen. Ich habe versucht, sie mit Bedacht auszusuchen   … nur arme Seelen zu nehmen, die befreit werden mussten   …
    Ich versuchte, nicht auf das Krabbeln der winzigen Beinchen in meinen Haaren zu achten, und leuchtete mit meinem Handy in den Raum hinein. Noch mehr Ziegelmauern. Noch mehr Spinnweben. Die Umrisse von etwas, von dem ich fürchtete, es könnte eine aufgehängte Leiche sein.
    Und der Gestank. Er war überall, drang durch jede Ritze und jede Spalte, klebte an meiner Kleidung, auf meiner Haut, in meinen Nasenlöchern   …
    Ich zog mir das Shirt noch näher vor das Gesicht.
    Als ich durch die Öffnung trat, spritzte mir Wasser über die Stiefel. Der Gestank stieg wieder auf, schlimmer denn je, und ich fragte mich, was das für eine Flüssigkeit war, die mir über die Füße schwappte.
    Ich wollte nicht darüber nachdenken   … ich konnte jetzt nicht darüber nachdenken   …
    Ich rutschte aus und fiel auf den Hintern, dass es nur so platschte. Wasser spritzte mir ins Gesicht, und ich schrie laut auf. Würgend schnappte ich nach Luft und rappelte mich wieder auf.
    Bei jedem Schritt darauf bedacht, nur ja nicht wieder auszurutschen, tappte ich durch die Dunkelheit. Das Summen der Fliegen dröhnte mir in den Ohren, und ich war dankbar, dass ich nur so weit sehen konnte, wie die anämische Beleuchtung meines Handys es erlaubte.
    Ich versuchte, möglichst geradeaus zu gehen, bis ich wieder an eine Mauer kam, und dort suchte und suchte ich, bis ich endlich eine Öffnung fand. Nass und fröstelnd kroch ich hindurch und gelangte auf der anderen Seite in einen ähnlichen Raum.
    Ich hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, je wieder aus diesem Gewirr von Kammern herauszukommen, als ich durch ein weiteres Loch in einen langen engen Tunnel kroch. Hier war die Luft frischer, und der bestialische Gestank wurde schwächer.Ich hoffte, das bedeutete, dass ich mich ganz in der Nähe einer Öffnung nach draußen befand.
    Eine ganze Weile stand ich unschlüssig da. In welche Richtung sollte ich gehen? Da hörte ich laute Schritte hinter mir, und ich wartete nicht, bis ich sehen konnte, wer da aus der Dunkelheit kommen würde. Wer außer Meakin konnte das sein?
    Ich drehte mich um und rannte den Tunnel hinunter, das Handy vor mir wie eine Fackel, die mir allerdings kaum den Weg leuchtete.
    Nachdem ich mich durch ein weiteres Loch gezwängt hatte, befand ich mich in einem runden, brunnenartigen Raum und wusste genau, wo ich war.
    Ich blickte nach oben, sah das fahle Lavendelblau des dämmrigen Himmels und hätte am liebsten geweint vor Freude.
    Ich kletterte hinauf. Ich war schon fast oben angelangt, als ich unter mir Schritte hörte und das Geräusch eines Körpers, der durch das Loch kroch, und schließlich das Klappern der Metallleiter, als mein Verfolger begann, hinter mir herzuklettern.
    Er rief meinen Namen. Nur das. Amelia . Auf diese sanft gedehnte Art, die ich so liebte. Ich schaute nach unten, und für den Bruchteil einer Sekunde blickte ich in Devlins Gesicht   – dann umklammerte eine Hand mein Handgelenk.
    Ich hätte nie gedacht, dass Daniel Meakin so stark war, aber er zog mich durch die Öffnung und schlug den Deckel zu. Dann schob er einen Riegel vor, den es ein paar Wochen
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