Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totengeld

Totengeld

Titel: Totengeld
Autoren: Kathy Reichs
Vom Netzwerk:
hat sich die gesamte Akte noch einmal angesehen«, sagte ich. »Er hat keinerlei Zweifel an der Identität.«
    Eine Weile beobachteten wir beide das orangene Flammenspiel hinter dem durchbrochenen Messing. Charlie nutzte die Pause, um einen seiner Lieblingssprüche zu krächzen.
    »I want your sex!«
    Slidells Blick blieb auf die Flammen gerichtet. Ich sah mich zu einer Erklärung genötigt.
    »Das ist eine Zeile aus einem alten Song von George Michael.«
    »Verraten Sie mir noch eins.« Slidell schaute wieder in meine Richtung. »Wie sind Sie auf dieses Lagerhaus gekommen?«
    »Eigentlich nur mutig geraten. Larabee hatte doch diesen Elfenbeinsplitter in Aras Schädelschwarte gefunden. Heutzutage wird Elfenbein nicht mehr häufig verwendet, aber früher war es für Klaviertasten sehr gebräuchlich. Ein Aufprall auf eine solche Tastatur konnte die strukturierte Verletzung an Aras Schulter erklären.«
    Slidell hob die Schultern. »Und?«
    »Der FBI -Bericht nannte Difluorethan als einen der Bestandteile in dem Fleck auf Aras Handtasche. Difluorethan wird Sprühlacken als Treibmittel beigefügt.«
    Wieder die Schultern.
    »Das Lagerhaus gegenüber John-Henry’s Tavern sollte eigentlich zu Lofts umgebaut werden, aber das Projekt wurde nie in die Tat umgesetzt. Also stand es leer. An dem Tag, als wir mit Sam Poland sprachen, habe ich auf der Laderampe ein altes Piano stehen sehen.«
    »Mit Graffiti besprüht.« Slidell schnippte mit den Fingern und deutete auf mich. »Nicht schlecht, Doc. Und übrigens, das war das letzte Mal, dass Sie wegen einer Ihrer Ahnungen alleine losziehen. Ich bin der Detective. Sie sind die Anthropologin.«
    »Notiert.«
    Slidell nickte scharf, als hätte er einen Treffer gelandet.
    »Ara muss in der Nacht, als sie starb, beim Lagerhaus gewesen sein«, fuhr ich fort. »Als Majerick versucht hat, sie in seinen Pick-up zu zwingen, hat sie sich wahrscheinlich gewehrt und sich Kopf und Schulter an dem Piano angeschlagen.«
    Vor mir sah ich das Bild der Huma-Majerick-Silhouette, die im Dunkel rangelte. Und das einer Leiche mit einer Kappe.
    »Rockett hatte nie etwas mit dem Menschenhandel zu tun, oder?«
    »Der Kerl war ein Blödmann, aber vermutlich hatte er einen Verdacht. Er war Kunde im Passion Fruit, und ihm war sicher aufgefallen, dass keins der Mädchen Englisch sprach. Da musste er sich einfach die Frage stellen, woher sie kamen.«
    Slidell schob sich seine nachgemachte Ray-Ban auf die Nase.
    »Irgendwann brauchen wir Sie, damit Sie uns das alles aufschreiben.« Er deutete auf meinen Verband. »Wenn es Ihnen wieder besser geht.«
    Ich lächelte und hob beide Hände. »Kein Problem. Zur Not schreibe ich auch mit links.«
    Als Slidell gegangen war, traf mich eine schockierende Erkenntnis.
    Dirty Harry hatte mich kein einziges Mal getadelt, lächerlich gemacht oder ausgelacht.
    Eine Stunde später stand Dew vor meiner Tür. Er trug einen schwarzen Anzug, eine blaue Krawatte und ein blendend weißes Hemd. Noch immer keinen Fedora-Hut.
    Dew und ich nahmen dieselben Sessel-und Sofapositionen ein wie bei Slidells Besuch. Im Gegensatz zu Skinny saß Dew kerzengerade da, die Absätze dicht nebeneinander, die riesigen Hände vor den riesigen Knien verschränkt. Mein Angebot von Kaffee oder Tee lehnte er ab.
    Dew hatte Folgendes zu berichten:
    Zu Beginn seines zweiten Einsatzes lernte John-Henry Gross einen Angestellten einer privaten französischen Sicherheitsfirma namens Jean Pruet kennen. Pruet hatte sechs Jahre in Afghanistan zugebracht und in diesem Zeitraum fast zwei Millionen auf einem Schweizer Konto deponiert. Pruet kehrte nach Europa zurück und überließ Gross gegen eine Gebühr sein Netzwerk.
    Das Projekt war alles andere als originell. Aber es war lukrativ.
    Im Zentrum der Operation stand ein Afghane namens Maroof Hayel, der Mann, der Khandan vor meinen Augen zurechtgewiesen hatte an dem Tag, als sie mich auf dem Basar ansprach. Hayel war Khandans Vater und Aras Onkel.
    Hayel warb junge Mädchen an mit dem Versprechen, ihnen oder ihren Eltern Jobs in den Vereinigten Staaten zu verschaffen. Er versorgte sich vorwiegend in den Slums von Kabul, Charikar oder Dschalalabad, aber auch in den Dörfern der sie umgebenden Provinzen.
    Hayel bekam 200 Dollar für jedes Mädchen, das er brachte. Ein Junge in Kabul, der mit Photoshop zaubern konnte, lieferte falsche Pässe und Visa für 40 Dollar pro Stück. Die Mädchen wurden von einer afghanischen Frau namens Reja Hamidi vom Khwaja Airport in Kabul
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher