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Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes

Titel: Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes
Autoren: Mark Billingham
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Zaun am Ende Ihres Gartens klettert, wo kommt man dann raus?«
    »Was?«
    »Wohin kommt man dann, Nina?«
    »Scheiße, sie ist über den Zaun gestiegen?«
    »Wohin könnte Debbie gelaufen sein?«
    Nach einer kurzen Pause fing Nina wieder an zu fluchen. Thorne bat sie mehrmals, ruhig zu bleiben, und als sie endlich fertig war, hörte er im Hintergrund eine Männerstimme.
    Thorne sagte: »Wohin könnte Debbie mit Jason gelaufen sein, Nina?« Er wartete, bis er sie atmen hörte, und fügte langsam hinzu: »Wenn sie Angst hatte.«
    »Keine Ahnung, Mann!« Der Typ im Hintergrund sagte wieder etwas, und Ninas Stimme klang gedämpft. Sie hatte die Hand über die Sprechmuschel gelegt und erklärte ihm, er solle den Mund halten. »Vielleicht in den Park.«
    »In den Park?« Dem Lieblingsplatz des Jungen. »Sind Sie sicher?«
    »Da sind sie ständig.«
    Als der Typ anfing, Nina anzubrüllen, legte Thorne auf. Als er sich umwandte, sah er eine Frau im Garten nebenan
stehen. Sie hielt ein Kind im Arm und starrte Thorne über den Zaun hinweg an.
    »Ist ja wie im Irrenhaus hier«, sagte sie.
    »Haben Sie etwas gesehen?«
    Sie schüttelte den Kopf und deutete mit einem Kopfnicken auf das Handy in Thornes Hand. »Ich hab zugehört«, sagte sie. »Entschuldigen Sie.«
    »Macht nichts.«
    »Es gibt da eine Abkürzung.«
     
    Es war so einfach gewesen, sie schien gar keine andere Wahl zu haben, als sie über den verwilderten Streifen hinter Ninas Garten stolperte, durch das Loch im Zaun und aus dem Baumgewirr hinaus in den Park. Der Gedanke an das, was hinter ihr sein mochte, hatte sie vorwärtsgetrieben, hatte sie angetrieben, Jason auf Trab zu halten, ihn von der alten Frau mit dem Hund weg und über den Fußballplatz zur Brücke zu ziehen. Sie war sich absolut sicher. Die Sicherheit war so total, so allumfassend wie die Panik.
    Doch jetzt, wo sie von der Brücke nach unten sah, war sie wie gelähmt, von einer ganz anderen Angst.
    Gelähmt und hilflos.
    In ihrer Vorstellung war es so einfach und offensichtlich gewesen. Sie hatte diesen Weg nicht gewählt, und hätte sie eine Wahl gehabt, wäre sie ganz anders vorgegangen. Wenn sie schlaflos im Bett lag und auf das Geräusch von Ninas Schlüssel in der Tür wartete, hatte sie sich die letzten Augenblicke ausgemalt - ein langsames Hinwegdämmern mit Tabletten und Alkohol, Jason unter der Decke eng an sie gekuschelt. Ein gemeinsames Wegdriften mit Musik aus dem Radio oder von Jasons Video nebenan. Sein langer, warmer Körper ausgestreckt neben ihr.

    Ahnungslos und ohne Furcht.
    Jason saß neben ihr auf der Brücke und schlug aufgeregt auf die Brüstung. Sie öffnete die Augen, unten knackte das Gleis, als der letzte Waggon in die Gerade einbog.
    Es würde schnell gehen, klar, aber der Sturz wäre schrecklich, und ein paar Sekunden lang war sie wieder ein kleines Mädchen, nicht älter als Jason jetzt. Zitternd stand sie auf dem Sprungbrett, ihre Zehen klammerten sich um die Kante, und ihr Vater gab ihr einen Schubs und rief, sie solle sich nicht so dämlich anstellen. Wie ein Baby. Sie blinzelte die Tränen weg und schaute hinunter auf die schwarzen Linien am Boden, diese welligen Linien, lehnte sich gegen die Hand ihres Vaters, schloss die Augen und schluckte den Brechreiz hinunter.
    War es das, was sie jetzt zurückhielt und auf die Steine niederdrückte und ihr das Herz zerschredderte wie nasses Papier? O Gott … vielleicht irrte sie sich. Vielleicht war sie dumm und egoistisch? Seit die Polizei zum ersten Mal bei ihr geklingelt hatte, um sie zu warnen, hatte sie an nichts anderes gedacht. Sie war sich so sicher gewesen, dass es das einzig Richtige ist.
    Für sie beide.
    Jason konnte ohne sie nicht leben, das war ihr immer klar gewesen. Bei anderen Leuten wäre es kein Leben für ihn. Niemand außer Debbie konnte ihn wirklich verstehen und glücklich machen. Niemand konnte ihn mehr lieben als sie.
    Doch jetzt, wo die Steine unter ihr summten, schrie diese Stimme in ihr, sie denke nur an sich selbst. Wie konnte sie sich einbilden, sie wisse, wie Jasons Leben verlaufen würde? Welche Zukunft er hätte? Sie entwickelten ständig neue Medikamente, es gab medizinische Fortschritte und neue Therapien. Möglichkeiten, zu solchen Kindern durchzudringen.

    »Tsch-tsch …«
    Debbie sah auf Jason hinab. Er hatte die Augen weit aufgerissen. Sie strahlten. In ihrem Augenwinkel bewegte sich etwas, das bedeutete, der Mann, der sie dazu getrieben hatte, war nur noch ein paar Meter, ein paar
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