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Tohuwabohu

Tohuwabohu

Titel: Tohuwabohu
Autoren: Tom Sharpe
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die Hand, als wolle sie den entsetzten Protest des Kommandanten zum Schweigen bringen. »Also mußten wir in Sünde leben.« Kommandant van Heerden war über das bloße Entsetzen längst hinaus. Er glotzte sie fassungslos an. »Aber wenn wir auch nicht verheiratet waren«, fuhr Miss Hazelstone fort, »glücklich waren wir. Ich muß zugeben, wir führten kein sehr geselliges Leben, aber wenn man mal erst in meinem Alter ist, dann ist ein ruhiges Leben daheim eigentlich alles, was man sich wünscht. Denken Sie nicht auch?«
    Kommandant van Heerden dachte überhaupt nicht. Er mühte sich nach Kräften, nicht zuzuhören. Schwankend erhob er sich von seinem Sessel und schloß die Glastüren, die auf die Veranda führten. Was dieses grauenhafte alte Weib ihm hier erzählte, durfte Wachtmeister Els auf keinen Fall zu Ohren kommen. Er war erleichtert, als er bemerkte, daß der fürchterliche Kerl sich bis zur Spitze des Baums hochgearbeitet hatte, wo er anscheinend steckengeblieben war.
    Während Miss Hazelstone weiter ihren Katalog von Fünfpennys Vorzügen runterbrabbelte, stampfte der Kommandant im Zimmer hin und her und kramte in seinem Hirn wie verrückt nach einer Möglichkeit, wie er den Fall vertuschen könnte. Miss Hazelstone und Jacaranda House waren praktisch nationale Institutionen. Ihre Feuilletons über gesellschaftliche Umgangsformen und feine Lebensart erschienen in jeder Zeitung des Landes, ganz abgesehen von ihren vielen Artikeln in den besseren Frauenzeitschriften. Wenn rauskäme, daß die Wortführerin der englischen Gesellschaft in Zululand ihren schwarzen Koch ermordet hatte, oder wenn sich in schwarze Köche zu verlieben plötzlich der Kategorie feiner Lebensart zugerechnet würde und diese Mode sich ausbreitete, wie es sehr wohl passieren könnte, dann würde Südafrika innerhalb eines Jahres farbig werden. Und wie stand es mit der Wirkung auf die Zulus selbst, wenn sie hörten, daß einer von ihnen was mit der Enkelin des Großen Gouverneurs Sir Theophilus Hazelstone in Sir Theophilus’ eigenem Kral, Jacaranda Park, gehabt hatte, und das überreichlich, praktisch legal und auf ihr Drängen? Kommandant van Heerdens Phantasie schweifte von Massenvergewaltigungen durch Tausende von Zulu-Köchen weiter zu Eingeborenenaufständen und langte schließlich beim Rassenkrieg an. Luitenant Verkramp hatte in seinen Berichten nach Pretoria also doch recht gehabt. Er hatte erstaunlichen Scharfblick bewiesen. Miss Hazelstone und ihr verfluchter Zulu-Koch waren allen Ernstes imstande, dreihundert Jahren weißer Herrschaft in Südafrika ein Ende zu bereiten. Was noch schlimmer war: Er, Kommandant van Heerden, würde dafür verantwortlich gemacht werden.
    Nachdem er lange und andächtig einer mottenzerfressenen Hyäne ins Gesicht gestarrt hatte, die er in seiner Verwirrung für ein Jugendbildnis von Sir Theophilus hielt, raffte der Kommandant schließlich die letzten ihm noch verbliebenen Kräfte zusammen und drehte sich wieder zu seiner Peinigerin um. Er würde einen letzten Versuch unternehmen, die alte Schachtel dazu zu bewegen, ihre Pflicht als Dame und als Weiße einzusehen und zu leugnen, jemals etwas Tödlicheres oder Leidenschaftlicheres ihrem Zulu-Koch gegenüber gehegt zu haben als mäßig kritische Gedanken.
    Miss Hazelstone hatte die Aufzählung von Fünfpennys Tugenden als eines gefühlvollen Seelenfreundes beendet. Sie hatte angefangen, die Eigenschaften des Kochs als eines animalischen und sinnlichen Liebhabers zu schildern, der das Bett mit ihr teilte und ihre sexuellen Gelüste befriedigte, die, wie der Kommandant mit Abscheu entdeckte, kolossal und seiner Ansicht nach pervers bis zur Ungeheuerlichkeit waren. »Natürlich hatten wir anfangs unsere kleinen Schwierigkeiten«, sagte sie gerade. »Es bestanden kleine Differenzen in unserer Einstellung, ganz zu schweigen von unseren körperlichen Eigenschaften. Ein Mann von Ihrer Erfahrung, Kommandant, wird selbstverständlich wissen, was ich meine.«
    Der Kommandant, dessen Sexerfahrungen sich auf einen Bordellbesuch jährlich während seiner Sommerferien in Lourenco Marques beschränkten, dessen Erfahrungen mit Zulus aber ziemlich weitläufig waren, dachte, daß er wisse, was sie meine, und hoffte beim Himmel, er wisse es nicht. »Zunächst litt Fünfpenny an ejaculatio praecox«, fuhr Miss Hazelstone mit klinischer Strenge fort. Einen kleinen, allzu kurzen Augenblick lang bewahrten den Kommandanten seine mangelnden Lateinkenntnisse und sein
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